Veranstaltung: | LDK Wolfenbüttel-Programmparteitag zur Landtagswahl |
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Tagesordnungspunkt: | 2.4. Kapitel III - Wir gestalten Niedersachsen — Chancengerecht und Solidarisch |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (beschlossen am: 06.04.2022) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 22.04.2022, 11:43 |
Kap.3: Wir gestalten Niedersachsen - Chancengerecht und Solidarisch
Antragstext
Gute Kinderbetreuung im ganzen Land
Bildung schafft die Grundlage für mehr Gerechtigkeit. Bildung eröffnet Chancen
für den beruflichen Aufstieg, ist eine zentrale Voraussetzung für
gesellschaftliche Teilhabe, stärkt damit unsere Demokratie und ist elementare
Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. Leitziel von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sind daher sozial gerechte Zugangschancen zu Bildung.
Gute Krippen und Kindergärten sind entscheidend für die Förderung und
Unterstützung von Kindern und Familien. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass
sich Kinder entfalten können und ihre Interessen und Fähigkeiten entdecken.
Zugleich bilden sie eine wichtige Grundlage für die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Krippen und Kindergärten zu Lern-
und Lebensorten entwickeln, in die Kinder gern gehen – und wo Erzieher*innen
gern arbeiten. Dafür brauchen wir nicht nur mehr Betreuungsplätze, sondern auch
eine Entlastung für die Erzieher*innen, damit sie genug Zeit haben, allen
Kindern gerecht zu werden.
Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr ist ein
wichtiger Schritt, dennoch gibt es weiteren Bedarf am Ausbau von Plätzen, um
allen Kindern ein wohnortnahes Angebot machen zu können. Zudem haben aktuell
viele Familien nur einen Halbtagskindergartenplatz. Daher setzen wir uns für
eine schrittweise Ausweitung des Angebots ein – damit alle, die es wollen und
brauchen, eine gute Ganztagsbetreuung bekommen. Hierbei gilt es auch Menschen
mit besonderen Bedürfnissen zu berücksichtigen, beispielsweise Alleinerziehende
oder im Schichtdienst Arbeitende.
Wir werden zudem nicht nur die Zahl der Betreuungsplätze, sondern vor allem die
Qualität der Angebote weiterentwickeln. Daher setzen wir uns für klare Standards
und ein Qualitäts-management für Kindertageseinrichtungen ein. Es müssen zudem
ausreichend räumliche Kapazitäten vorhanden sein. Zu einer guten Qualität gehört
für uns vor allem ein guter Betreuungsschlüssel. Unser zentrales Ziel ist es
daher, das Verhältnis von Pädagog*innen und Kindern kontinuierlich zu
verbessern. Um das zu erreichen, brauchen wir in den Kitas endlich einen
Stufenplan für eine echte dritte Kraft, die mehr ist als eine stundenweise
Ergänzung des Teams. Die Mitarbeitenden brauchen zudem mehr Verfügungszeiten,
damit sie den gestiegenen Anforderungen an den Bildungsauftrag, den Kindern und
den Eltern gerecht werden können.
Inklusion in Kitas vorantreiben – gute Förderung von Anfang an
Auch Krippen und Kindergärten erfüllen einen wichtigen Beitrag zur Teilhabe und
Förderung aller Kinder in ihrer Unterschiedlichkeit. Die Umsetzung der Inklusion
muss endlich gesetzlich geregelt werden. Dafür schreiben wir in jeder Gruppe
eine heilpädagogische Expertise fest und starten hierfür eine
Fortbildungsoffensive. Unser Ziel ist es, flächendeckend Einrichtungen mit
barrierefreien Räumlichkeiten im gesamten Land zu erreichen. Ein Beitrag hierfür
ist die Festschreibung von Barrierefreiheit und eine behindertengerechte
Ausstattung bei Kita-Neuerrichtungen. Auch der Spracherwerb ist in
Kindertagesstätten eine wichtige Aufgabe. Er schafft die Grundlage für Teilhabe
und Förderung von Anfang an. Dafür müssen Sprachförderungs- und
Fortbildungsangebote weiter ausgebaut werden.
Kitas zu Familienzentren weiterentwickeln
Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, Kitas bei der Weiterentwicklung zu
Familienzentren zu unterstützen. Familienzentren verbinden die frühkindliche
Bildung und Kinderbetreuung mit Familien- und Elternarbeit und schaffen einen
niedrigschwelligen Zugang zu Vorsorgeuntersuchungen, frühen Hilfen und
Beratungsangeboten. Hierdurch werden Zugangsmöglichkeiten von Familien zu
solchen Angeboten erleichtert, weil sie dort stattfinden, wo die Familien sind:
in den Kindertagesstätten. Insbesondere im ländlichen Raum wollen wir
Kooperationen zwischen Schulen und Familienzentren ermöglichen sowie (Grund-
)Schulen die Möglichkeit geben, ebenfalls Familienzentren zu werden. Wir nutzen
Förderprogramme zur Gründung zusätzlicher Familienzentren und sichern bestehende
Familienzentren ab. Wir setzen uns für eine Gesetzesänderung ein, die die
Gründung und den Betrieb von Familienzentren erleichtert.
Demokratie- und Umweltbildung stärken, Waldkindergärten ausbauen
Demokratische Teilhabe, die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und auch
kindgerechtes Beschwerdemanagement spielen in Kindertagesstätten zunehmend eine
Rolle. Diesen Trend wollen wir unterstützen, denn er ist wichtig, um die
Entwicklung von Kindern zu selbstbewussten und solidarischen Menschen zu
unterstützen. Wir GRÜNEN fördern Kitakonzepte, bei denen Umweltbildung eine
zentrale Rolle spielt. Durch die verdichtete Arbeitszeit und die vielen
Überstunden in den Kitas sind es gerade Fortbildungen und die Etablierung
solcher Konzepte, die darunter leiden. Daher wollen wir die Fachkräftesituation
deutlich verbessern und die Verfügungszeiten erhöhen. Waldkindergärten werden
wir künftig besser fördern. Die Gründung und den Betrieb von Waldkindergärten
wollen wir erleichtern, indem wir die Genehmigung von Öffnungszeiten an andere
Bundesländer anpassen.
Fachkräftemangel begegnen, Erzieher*innen besser bezahlen
Gute Betreuung und Förderung gibt es nur mit qualifizierten und fair bezahlten
Fachkräften. Ein wesentlicher Faktor für den Fachkräftemangel in diesem Bereich
ist die zu geringe Bezahlung für diese anspruchsvolle und wichtige Arbeit. Wir
GRÜNEN setzen uns daher dafür ein, eine armutsfeste Ausbildungsvergütung auf den
Weg zu bringen und die berufsbegleitende Ausbildung zu stärken.
Zudem wollen wir Wiedereinstiegs- und Umschulungsprogramme auf den Weg bringen,
um mehr Menschen einen Neu- oder Quereinstieg in den Erzieher*innenberuf zu
ermöglichen. Hierzu gehört auch eine Erleichterung der Anerkennung ausländischer
Berufsabschlüsse, um Menschen mit Migrationsgeschichte mit entsprechenden
Berufskenntnissen den Weg in die Krippen und Kindergärten zu vereinfachen. Wir
sehen die Absenkung von Standards zur schnellen Fachkräftegewinnung kritisch und
lehnen Pläne und Diskussionen zu „Ausbildungen light“ ab. Auch die
Arbeitsbedingungen für Leitungsfunktionen müssen verbessert und zusätzliche
Verfügungsstunden und Qualifikationsangebote ermöglicht werden. Noch immer
ergreifen vorrangig Frauen soziale Berufe und nur wenige Männer werden
beispielsweise Erzieher. Wir wollen durch eine gendersensible Berufsorientierung
an Schulen, durch bessere Bezahlung und eine höhere gesellschaftliche
Anerkennung diese Berufe attraktiver machen. Vielen Fachkräften fällt es mit
zunehmendem Alter schwer, den Beruf weiter auszuüben, weil etwa die
Lärmbelastung oder das Wickeln körperlich sehr fordert. Wir werden deshalb das
Thema Fachkräfte im Alter angehen und Berufswege für ältere Fachkräfte
aufzeigen, um sie im Beruf zu halten.
GRÜNE Politik macht Schule
Gute Bildungschancen in allen Bereichen – von der Kita über Schule, Ausbildung
und Studium bis hin zu lebensbegleitenden Angeboten für Erwachsene – dürfen
dabei nicht vom finanziellen Rahmen oder der individuellen Herkunft abhängen.
Wir brauchen ein qualitativ hochwertiges und durchlässiges Bildungssystem, das
alle Menschen mitnimmt und optimal fördert.
Unser Ziel ist, dass jede*r Schüler*in einen guten Bildungsabschluss erreicht,
der den eigenen Fähigkeiten und Talenten entspricht. Deutschland hat im
internationalen Vergleich immer noch eines der ungerechtesten und sozial
selektivsten Schulsysteme: Das Elternhaus hat einen maßgeblichen Einfluss auf
die individuellen Bildungschancen. Die frühe Sortierung der Schüler*innen durch
das gegliederte Schulsystem, das zudem kaum durchlässig ist, steht einer
bestmöglichen individuellen Weiterentwicklung der Kinder im Wege.
Insbesondere zu Beginn der Corona-Pandemie waren es die Schüler*innen, die
besonders große Lasten tragen mussten: durch Schulschließungen und das damit
verbundene Aussetzen von Routinen, durch den zwischenzeitlichen Verlust ihres
sozialen Umfelds und von Lernangeboten. Wir stellen die Bedürfnisse der
Schüler*innen konsequent in den Mittelpunkt unserer Politik. GRÜNE Politik in
Niedersachsen setzt auf das Konzept einer neuen Schule, die längeres gemeinsames
Lernen ermöglicht und die als attraktive Ganztagsschule Freiräume für
individuelles Lernen, für soziales Lernen und die persönliche Entwicklung der
Kinder und Jugendlichen in einem guten Lernumfeld bietet. Am besten verwirklicht
sehen wir dieses bildungspolitische Ziel im Konzept der Integrierten
Gesamtschulen, die wir daher ausbauen und stärken werden.
Gute Schulpolitik ist dabei auch eine Ressourcenfrage: Unser Ziel ist es,
Schulen mit ausreichend gut ausgebildeten Lehrkräften zu versorgen und darüber
hinaus von den Gebäuden bis zur digitalen Infrastruktur so auszustatten, dass
sie ihrem Bildungsauftrag gerecht werden können. Zudem werden wir mit dem
Niedersachsenfonds die Kommunen unterstützen, Schulen zu sanieren und
aufzuwerten, um vor Ort ein attraktiveres Lernumfeld zu schaffen.
Längeres gemeinsames Lernen für eine gerechte Schule
Internationale Bildungsstudien kommen alle zum gleichen Ergebnis: Vom
gemeinsamen Lernen profitieren alle – lernstärkere genauso wie lernschwächere
Schüler*innen. Und dort, wo die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen nicht
nur von oben nach unten – wie in unserem klassisch gegliederten Schulsystem
–sondern auch von unten nach oben funktioniert, haben Kinder, die zuhause nicht
so gut begleitet und gefördert werden können, deutlich bessere Chancen. Schule
muss Chancen eröffnen, die eigenen Begabungen zu erkennen und weiterzuentwickeln
und auf gezielte individuelle Förderung setzen. Für uns ist das längere
gemeinsame Lernen ein zentrales bildungspolitisches Vorhaben, um Schüler*innen
alle Bildungsoptionen offenzuhalten und das Von- und Miteinanderlernen zu
befördern. Hierzu werden wir insbesondere die Integrierten Gesamtschulen weiter
stärken und auch die Gymnasien durchlässiger gestalten. Zudem müssen alle Wege
der schulischen Laufbahn möglichst lange offengehalten werden.
Damit der Übergang klappt
Gute Übergänge zwischen Kindergarten, Grundschule und weiterführenden Schulen
sind eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Bildungswege. Auch hier
profitieren alle von längerem gemeinsamen Lernen. Daher setzen wir uns in
Niedersachsen für die modellhafte Erweiterung von Integrierten Gesamtschulen um
Primarstufen ein, um gemeinsames Lernen an einer Schule von der ersten bis zur
dreizehnten Klasse zu ermöglichen. In diesem Sinne unterstützen wir auch
Initiativen, die beispielsweise Oberschulen zu Integrierten Gesamtschulen
weiterentwickeln. Zudem setzen wir uns dafür ein, Schulverbünde weiter
voranzutreiben, um gemeinsame Oberstufen oder eine gemeinsame Schule von Klasse
eins bis dreizehn zu führen. Insbesondere im ländlichen Raum bietet dies auch
die Möglichkeit, wohnortnahe Schulen zu halten und zu Familienzentren
weiterzuentwickeln.
Ressourcen gerecht verteilen
In Niedersachsen sind gerade die Schulen schlecht ausgestattet, die besonders
viele Schüler*innen haben, die intensiv begleitet werden müssen. Die
Unterrichtsversorgung an Haupt- und Oberschulen, aber auch an Grund- und
Gesamtschulen ist nicht ausreichend, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Diesem
Trend werden wir entgegenwirken und gerade die Schulen besonders ausstatten, die
pädagogisch herausfordernde Arbeit leisten müssen. Über einen Sozialindex wollen
wir deshalb genau diese Schulen personell verstärken und damit auch ihre
Attraktivität erhöhen. Wir GRÜNEN setzen uns für eine kostenlose Bildung von
Anfang an ein. Daher streben wir an, in Niedersachsen die Lernmittelfreiheit
einzuführen – insbesondere im Bereich der digitalen Medien.
Lernen im eigenen Takt
Bildungsforschung hat hinreichend belegt, dass unterschiedliche Kinder
verschiedene Lernwege benötigen, um zum Ziel zu kommen. Lerndiagnostik,
Lernberatung und Lernbegleitung müssen die zentralen Aufgaben für gut
ausgebildete Lehrer*innen sein. Damit Schüler*innen Raum für ein
selbstbestimmtes Lernen gegeben werden kann, steht für uns das Lernen im eigenen
Takt im Mittelpunkt , d. h. im eigenen Tempo und mit individualisierten Wegen
bei der Weiterentwicklung von Schule. Wir GRÜNEN möchten jahrgangsübergreifendes
Lernen in allen Jahrgängen ermöglichen – auch an den weiterführenden Schulen. Um
dafür mehr Raum zu geben und Schulstress entgegenzuwirken, war die noch unter
GRÜNER Regierungsbeteiligung erreichte Abschaffung des sogenannten Turboabiturs
ein wichtiger Schritt. Darauf aufbauend setzen wir GRÜNEN uns dafür ein, dass
der Weg zum Abitur noch individueller gestaltet werden kann. Wir möchten es
Schulen ermöglichen, ein Abitur im eigenen Takt anzubieten, indem Schüler*innen
ihren Stundenplan selbst gestalten und organisieren können und somit noch besser
auf das Leben nach der Schule vorbereitet werden. Das setzt ein grundsätzlich
anderes Verständnis des Lehrer*innenberufs voraus und wird eine wesentliche
Veränderung der Lehrer*innenausbildung mit sich bringen.
Sitzenbleiben und erzwungene Schulwechsel (Abschulung) sind individuelle
Erfahrungen des Misserfolgs, die sich in aller Regel negativ auf den weiteren
Bildungsweg auswirken. Wie es in den meisten anderen europäischen Ländern der
Fall ist, wollen auch wir darauf verzichten. Hier gilt es, die Gymnasien stärker
in die Verantwortung zu nehmen, aufgenommene Schüler*innen bis zum Sek I-
Abschluss zu begleiten und zum Erfolg zu führen, um die derzeit übliche
Abschulungswelle nach Klasse sechs zu brechen.
Solange Abschulungen durchgeführt werden, ist es entscheidend, strukturell die
Schulen zu stärken, die abgeschulte Kinder aufnehmen. Gerade die Integrierten
Gesamtschulen arbeiten jedes Jahr aufs Neue mit Kindern, die Scheitern und einen
Bruch der eigenen Bildungsbiographie verarbeiten müssen. Diese kommen dann in
überfüllte Klassen, deren Lehrkräfte kaum Kapazitäten haben, das aufzufangen.
Integrierte Gesamtschulen wirken bereits unabhängig von diesem Effekt als
Lernort einer sehr heterogenen Schüler*innenschaft mit sehr unterschiedlichen
Lernständen und Fähigkeiten. Daher sollte diese Schulform generell mit kleineren
Klassen beginnen – in dem Wissen, dass sie im Laufe der Schulzeit noch Kinder
aufnehmen werden und auch diesen gerecht werden müssen. Bei der Gründung von
Gesamtschulen muss dieser Effekt planerisch künftig stärker berücksichtigt
werden.
Schulen in ihrem Engagement unterstützen – pädagogische Freiräume schaffen
Eine gute Schule mit dem Schwerpunkt der individuellen Förderung lebt von
pädagogischen Freiräumen durch Projekte, fächerübergreifendes Lernen,
selbstbestimmte Lernzeiten und von Angeboten für soziales Lernen. Wir GRÜNEN
setzen uns dafür ein, diese Freiräume weiter auszubauen. Viele Schulen haben
sich bereits auf den Weg gemacht, sich durch erhebliches eigenes Engagement so
zu verändern, dass sie diesen Ansprüchen gerecht werden. Dieses Engagement
wollen wir unterstützen und die schulbürokratischen Regelungen so verändern,
dass sie dieses Engagement unterstützen und nicht behindern. Über die Einführung
von Modellschulen werden wir zudem die Eigenverantwortlichkeit von Schulen
ausbauen und ihnen in den Bereichen Personal, Lern- und Lehrinhalte sowie
jahrgangs- und fächerübergreifendes Arbeiten mehr Gestaltungsspielräume geben.
Auch bei der bisherigen Praxis der Noten und Schullaufbahnempfehlungen benötigen
Schulen mehr Möglichkeiten in der Bewertung, um die individuelle Förderung auch
durch aussagekräftige Rückmeldung zu unterstützen. Perspektivisch wollen wir
Schulen ermöglichen, bis Jahrgangsstufe 7 auf Noten verzichten zu können.
Inklusive Schulen weiterentwickeln
Teilhabe ist für uns GRÜNE zentraler Wert. Sie sichert grundlegende Rechte und
macht alle Menschen zu einem Teil unserer Gesellschaft. Die UN-
Behindertenrechtskonvention ist für uns die Leitlinie einer inklusiven Politik.
Wir treiben Inklusion in allen Bereichen voran und beenden die fortdauernde
Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung. Den laufend aktualisierten Aktionsplan
des Landes entwickeln wir weiter und bauen die Teilhabeberichterstattung aus.
Das entstehende Landeskompetenzzentrum Barrierefreiheit soll auch für
zivilgesellschaftliche Organisationen und Unternehmen ansprechbar sein.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich für die Teilhabe aller Schüler*innen ein –
egal, ob diese Beeinträchtigungen haben, eine Migrationsgeschichte vorweisen,
aus weniger bildungsstarken Elternhäusern kommen oder hochbegabt sind. Schulen
müssen heutzutage mit vielfältigen Herausforderungen umgehen. Dies kann nur in
inklusiven Schulen gelingen. Die inklusive Schule sucht nach neuen Wegen und
Lösungen, um den Ansprüchen der Kinder gerecht zu werden und Teilhabebarrieren
abzubauen. Sie ist damit konsequenter Bestandteil individualisierter Pädagogik,
die die individuellen Voraussetzungen jedes Kindes und die unterschiedlichen
Bedürfnisse im Unterricht in den Blick nimmt.
Die Weiterentwicklung der Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und
bezieht alle Schulformen ein. Wir wollen alle Schulen, die bereits inklusiv
arbeiten, gezielt unterstützen, damit sie ihre Aufgaben besser erfüllen können.
Dazu gehört vor allem die personelle, aber auch die Sachausstattung, ebenso wie
die Schaffung von klaren rechtlichen Vorgaben sowie eindeutige
Aufgabenzuordnungen der an Regelschulen eingesetzten sonderpädagogischen
Fachkräfte, die inklusives Arbeiten ermöglichen. Die Tatsache, dass Jugendliche
an Realschulen noch immer keinen Hauptschulabschluss nach der zehnten Klasse
machen können, benachteiligt viele Schüler*innen, die keine Förderschule mehr
besuchen. Diese und weitere Hemmnisse wollen wir GRÜNEN zugunsten des inklusiven
Arbeitens abbauen.
Wir werden zur strukturellen Stärkung aller inklusiv arbeitenden Schulen die
sonderpädagogische Grundversorgung an weiterführenden Schulen einführen.
Sonderpädagog*innen sollen an den allgemeinbildenden Schulen zu einem festen
Bestandteil werden. Auch andere Berufsgruppen werden an inklusiven Schulen
gebraucht: wie etwa Logopäd*innen oder Ergotherapeut*innen, Erzieher*innen und
Schulsozialarbeiter*innen, aber auch Handwerker*innen und Krankenpflegekräfte.
Deshalb wollen wir die Multiprofessionalität an Schulen ausbauen und auch für
unterschiedliche Fachkräfte beispielsweise aus dem therapeutischen Bereich
ausweiten. Darüber hinaus sind berufsbegleitende Qualifizierungen, ein Ausbau
systemischer Unterstützung und soziale Arbeit in jeder Schule der Weg, Schulen
personell gut aufzustellen und strukturell zu stärken. Noch immer werden
therapeutische Fachkräfte an Schulen schlechter bezahlt und neue therapeutische
Fachkräfte können nur erschwert eingestellt werden. Fachkräfte werden durch
fehlende Stundenaufstockungen zudem in sogenannter Zwangsteilzeit beschäftigt.
Das wollen wir beenden.
Da die Weiterentwicklung der Schulen zu inklusiven Schulen ein langer Prozess
ist, der nicht überall gleichermaßen reibungslos gelingt, gibt es immer wieder
Problemanzeigen, Überforderung und Kinder, die derzeit unter die Räder geraten.
Um dem entgegenzuwirken, wollen wir die Regionalzentren für schulische Inklusion
stärken und an allgemeinbildenden Schulen verankern sowie in ein regionales,
niedrigschwelliges Beratungs- und Unterstützungssystem überführen. Bis diese
Struktur funktioniert und aufgebaut ist, setzen wir uns übergangsweise für
Ombudsstellen ein, die den Auftrag erhalten, die Kinder zu unterstützen und für
die Familien funktionierende Lösungen zu finden, die derzeit an Schulen unter
die Räder geraten, weil ihren Bedarfen nicht Rechnung getragen wird.
Diversität fördern
Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass sich unsere Schulen in ihren Angeboten
noch stärker als bisher auf eine vielfältige Gesellschaft einstellen. Dazu zählt
das Abbilden der gesellschaftlichen Lebensrealitäten in den einzelnen
Schulfächern ebenso wie das Fördern der Mehrsprachigkeit. Es ist an der Zeit,
dieser Tatsache auch im Unterrichtsangebot Rechnung zu tragen. Dazu wollen wir
die Kompetenzen in den Erstsprachen fördern und anerkennen, Mehrsprachigkeit für
alle Kinder auch im Unterricht mitdenken und die Vielfalt unter den Lehrkräften
vorantreiben. Eine Erhebung kann helfen, um einen Überblick über den
Sprachenreichtum an unseren Schulen zu kennen und damit zu arbeiten. Zur
Förderung der Mehrsprachigkeit wollen wir GRÜNEN vermehrt schulübergreifende
Angebote auf den Weg bringen, um mehr Kinder zu erreichen. Um mehr Fachkräfte
für Angebote des Herkunftssprachlichen Unterrichts zu gewinnen, wollen wir im
Ausland erworbene Abschlüsse schneller anerkennen und ein Studienangebot für
Herkunftssprachlichen Unterricht etablieren. Auch die Angebote zur
Sprachförderung müssen weiterentwickelt und ausgeweitet werden. Wir setzen uns
dafür ein, dass Antidiskriminierung an Schule gelebt wird und Vielfalt im
Miteinander selbstverständlich im Unterricht und in Unterrichtsmaterialien eine
Rolle spielt. Hierzu zählt auch, dass Geschlechterstereotype überwunden werden.
Das spielt vor allem im Bereich der Berufsorientierung eine zentrale Rolle. Auch
heute noch werden bestimmte Berufe vorrangig von Männern oder Frauen gewählt.
Dieses Muster wollen wir durchbrechen.
Wir wollen, dass Schulen ihre Vielfalt leben und das Miteinander gestalten.
Viele Schulen machen sich bereits Gedanken, wie sie Vielfalt aktiv gestalten und
ein respektvolles Miteinander an ihrer Schule unterstützen können. Diese
Entwicklung wollen wir befördern. Zur Umsetzung der dritten Option an Schulen
und zur Stärkung der Sichtbarkeit von unterschiedlicher sexueller und
geschlechtlicher Identität werden wir SCHLAU Niedersachsen weiter fördern und
uns für Ansprechpersonen für LSBTIQ einsetzen, um die Schulen zu unterstützen.
Ganztagsschulen ausbauen
Die Ganztagsschule ist zentraler Bestandteil eines gerechten und guten
Schulsystems, damit alle Schüler*innen bestmöglich gefördert werden und an
vielfältigen Angeboten partizipieren können. Wir möchten keinen „Ganztag light“,
der als Verwahrstation für Schüler*innen am Nachmittag fungiert. Unser Ziel ist
stattdessen ein gebundenes, qualitativ hochwertiges Ganztagsschulkonzept, bei
dem durch einen rhythmisierenden Tagesablauf Lerneinheiten mit Bewegungszeit,
kreativen Phasen und Angeboten mit außerschulischen Akteur*innen sinnvoll
aufeinander abgestimmt werden. Wir setzen uns daher dafür ein, alle Schulen zu
Ganztagsschulen an vier Tagen die Woche von acht bis fünfzehn Uhr mit einem
pädagogischen Betreuungsangebot auszubauen.
Guter Ganztag durch mehr Qualität, bessere Ernährung, Bewegung und Vernetzung
mit Vereinen
Wir wollen die Qualität der Ganztagsschulen weiter erhöhen. Dazu gehören
qualifiziertes und engagiertes Lehrpersonal, eine gute Architektur und
Ausstattung mit Infrastruktur und Lehrmaterial sowie verlässliche und
kontinuierliche Unterrichtsangebote und eine gute Vernetzung innerhalb ihres
räumlichen Umfeldes. Hierbei sind dauerhafte Kooperationspartner und eine
Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe auf Augenhöhe unabdingbar. Diese
Kooperationspartner, wie Musikschulen, Künstler*innen, Jugendverbände und
Sportvereine, brauchen dafür ebenso wie die Schulleitungen klare und
verlässliche Rahmenbedingungen, die ihnen eine langfristige Planung und
Kooperation ermöglichen. Insbesondere ausreichend Bewegungsangebote sind
wichtig, wenn Kinder den ganzen Tag in der Schule sind. Wir setzen uns deshalb
für tägliche Bewegungszeiten in der Schule ein. Gleichzeitig benötigen
Ganztagsschulen Rückzugsräume und die Möglichkeit für Ruhephasen, da nicht jedes
Kind gleichermaßen kontaktfreudig und ausdauernd ist. Die vielen Horte, die
derzeit ergänzende und attraktive Angebote machen, sollten im Prozess des
Ganztagsschulausbaus mitgedacht und integriert werden. Die Weiterentwicklung von
Schulen zu Familienzentren ermöglicht es, Beratungs- und Unterstützungsangebote
dort zu machen, wo die Familien sind: in der Schule (s. Familienzentren).
Durch den Ausbau der Ganztagsschulen hat auch die gesunde Ernährung der Kinder
und Jugendlichen in den Schulen eine größere Bedeutung bekommen. Deshalb werden
wir ein Landesprogramm für gutes Schulessen auf den Weg bringen, um Kommunen
finanziell dabei zu unterstützen, dass jedes Kind – insbesondere auch diejenigen
aus einkommensschwachen Haushalten – an jeder Schule eine warme Mahlzeit aus
gesunden, regionalen, saisonalen Komponenten mit möglichst hohem Bioanteil
erhalten kann. Eine Kooperation zwischen Berufsbildenden Schulen in den
Bereichen Kochen und Hauswirtschaft sowie mit Werkstätten, die in dem Bereich
ausbilden, wollen wir vorantreiben. Damit schaffen wir Ausbildungsplätze und
Synergien schaffen.
Schulen sollen die schönsten Orte sein – Digitalisierung vorantreiben
Wie bei vielen anderen öffentlichen Gebäuden auch wurde in den letzten
Jahrzehnten bei der Sanierung und Modernisierung der Schulen gespart. Die
Konsequenz sind teilweise marode Gebäude, die nicht barrierefrei sind, die
Schultoiletten haben, die niemand betreten möchte und die den Ansprüchen an
gutes Lernen und Lehren nicht gerecht werden. Die Kommunen haben begonnen,
diesen Trend umzukehren, haben aber allein nicht die finanzielle Kraft, die
Erfüllung der riesigen Bedarfe kurzfristig zu stemmen. Mit dem
Niedersachsenfonds wollen wir auch in die energetische Sanierung und
Modernisierung der Schulen investieren und hier die Kommunen unterstützen. Ziel
muss es sein, die Bedarfe der Schule einmal grundsätzlich anzugehen, anstatt
teure Flickschusterei zu betreiben. In dem Zusammenhang setzen wir uns dafür
ein, dass Bund, Land und Kommunen hier gemeinsam vorangehen und als Lehre aus
der Pandemie auch die Belüftungssituation sowie Hygieneanforderungen mitdenken.
Die Digitalisierung an Schulen läuft ebenso schleppend voran und die Schulen
werden bei der Etablierung von digitalen Angeboten nicht ausreichend unterstützt
und begleitet. Wir wollen dazu beitragen, dass die Mittel des Digitalpakts
schneller an den Schulen ankommen. Digitalisierung ist hierbei kein Selbstzweck,
sondern ein Werkzeug, dass Unterricht in Teilen leichter, abwechslungsreicher
und attraktiver machen kann. Dies gilt es pädagogisch einzubetten und zielgenau
anzuwenden. Anders als andere Bundesländer hat Niedersachsen weder ein Institut
noch Digitalprofessuren, um die Digitalisierung an Schulen zu begleiten und in
Aus-, Fort- und Weiterbildung stärker zu berücksichtigen. Das gilt es zu ändern.
Auch die Problematik der IT-Administration muss dringend gelöst werden, indem
hier mit den Kommunen eine Lösung entwickelt wird und beispielsweise eine
Ausbildung IT-Administration in der Schule eingeführt wird, um auch Fachkräfte
zu gewinnen.
Nachhaltige Entwicklung als Bildungsziel
Die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft ist eine der Zukunftsaufgaben
des 21. Jahrhunderts. Der Bildung für nachhaltige Entwicklung und dem globalen
Lernen kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Wir GRÜNEN möchten diese deshalb in
Niedersachsen weiter stärken. Bildung für nachhaltige Entwicklung und globales
Lernen sind Querschnittsthemen schulischer Bildung, in denen die
Herausforderungen der Zukunft thematisiert und Lösungsmöglichkeiten entwickelt
werden. Daher setzen wir uns dafür ein, Bildung für nachhaltige Entwicklung und
globales Lernen in Kitas sowie in Schulen in den Lehrplänen fest zu verankern
und dabei fächerübergreifende und handlungsorientierte Konzepte zu fördern.
Außerschulische Lernorte und Projekte sind hierbei ein wichtiger Bestandteil, um
vielfältige Angebote zu machen. Deshalb wollen wir diese stärken und auch Eine-
Welt-Promotor*innen weiter unterstützen (vgl. Niedersachsen in Europa und der
Welt).
Lehrer*innen unterstützen und Schulqualität sichern
Die Zeit der Corona-Pandemie hat eindrucksvoll aufgezeigt, welchen Beitrag
Lehrer*innen für unsere Gesellschaft leisten. Tagtäglich engagieren sie sich mit
den Schüler*innen und für die Schüler*innen. Sie entwickeln Schulen aktiv weiter
und machen sie besser. Die Anforderungen an die Lehrer*innen haben sich in den
letzten Jahrzehnten gewandelt und deutlich erhöht. Viele Reformen der
Schulpolitik haben zu einer erheblichen Mehrbelastung der Lehrer*innen geführt.
Eine Schule, die unseren Vorstellungen von gutem Lernen entspricht, erfordert
mehr und bestausgebildete Lehrer*innen. Diesen Anforderungen wollen wir GRÜNEN
gerecht werden und sowohl die Ausbildung als auch die Rahmenbedingungen im Beruf
verbessern. Es ist unser Anspruch, dass das Land Niedersachsen, auch im
Vergleich zu den anderen Bundesländern, ein attraktiver Arbeitgeber ist und
gute, verlässliche Arbeitsbedingungen bietet. Bislang gab es keine ernsthafte
Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Arbeitszeitkommission. Das wollen wir
ändern und Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf den Weg
bringen, wie etwa eine Anpassung der Altersermäßigung.
Noch immer werden Lehrer*innen an Grund- und Hauptschulen schlechter bezahlt und
schlechtergestellt als an anderen Schulformen. Wir möchten erreichen, dass auch
Grund-, Haupt-, Real- und Oberschullehrer*innen in der Regel nach A13 bezahlt
werden. Spätestens mit der Neustrukturierung der Masterstudiengänge für die
Lehrämter an Grundschulen sowie an Haupt- und Realschulen (GHR300) ist diese
Bezahlung zudem rechtlich geboten. Darüber hinaus brauchen auch diese
Schulformen Funktionsstellen – eine stellvertretende Schulleitung von
Grundschulen beispielsweise ist überfällig. Schulleitungen haben an Schulen eine
zentrale Funktion und brauchen deswegen ein eigenes Berufsbild. Wir setzen uns
daher dafür ein, dass Schulleitungen noch besser auf die Übernahme von
Leitungsaufgaben vorbereitet werden. Es sollen zielgerichtete
Weiterbildungsangebote für Nachwuchsführungskräfte zur Verfügung stehen. Hierzu
zählen auch Möglichkeiten zu Begleitung, Supervision und Coaching.
Wir GRÜNEN setzen uns für den Aufbau einer niedrigschwelligen, regionalen
Beratungs- und Unterstützungsstruktur in ganz Niedersachsen ein, damit die
zahlreichen Hilfsangebote auch tatsächlich bei den Lehrer*innen ankommen. Wir
treiben die Schulevaluation und Qualitätsentwicklung der Schulen voran und bauen
sie aus – eigenverantwortliche und starke Schulen funktionieren am besten, wenn
diese Elemente ineinandergreifen. Gleichzeitig entlasten wir die Schulen von
Verwaltungsaufgaben und Dokumentationspflichten durch zusätzliches Personal –
insbesondere an kleinen Grundschulen. Über eine Aufstockung von
Schulverwaltungskräften und mehr schulische Sozialarbeit sowie mit dem gezielten
Einsatz von pädagogischen Mitarbeiter*innen kann Schule den Anforderungen besser
gerecht werden.
Den Fachkräftemangel gezielt angehen
Unser Ziel ist es, für alle Schulen ausreichend Lehrkräfte zu gewinnen und damit
die Unterrichtsversorgung nachhaltig zu verbessern. Vor dem Hintergrund eines
erheblichen Fachkräftemangels werden viele Maßnahmen zur Besserstellung und
Entlastung von Lehrkräften ebenso wie die Umsetzung schulpolitisch überfälliger
Reform- und Qualitäts-verbesserungsvorhaben nicht kurzfristig gelingen, sondern
müssen in Stufenplänen erfolgen. Umso wichtiger ist es, den Fachkräftemangel
nicht schönzurechnen, sondern aktiv anzugehen. Hierzu führen wir eine ehrliche
Lehrkräftebedarfsanalyse durch, die auch geplante und absehbare Reformvorhaben
mitberücksichtigt. Die verstärkte Ausbildung von Lehrkräften und
Sonderpädagog*innen muss vorangetrieben werden. Darüber hinaus setzen wir uns
für eine bessere Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen ein.
Da das Nachsteuern viele Jahre in Anspruch nehmen wird, wollen wir in der
Übergangszeit verstärkt den Ausbau multiprofessioneller Teams vorantreiben. Wenn
in der Prognose derzeit jede fünfte Lehrkraft Quereinsteiger*in sein wird, dann
macht das deutlich, dass die Situation des Lehrkräfteangebotes einem großen
Wandel ausgesetzt ist. Schule wird sich dadurch verändern – das muss aktiv
gestaltet werden. Wir setzen uns dafür ein, den Quereinstieg besser
vorzubereiten und durch eine echte Ausbildungs- und Vorbereitungsphase zu
gestalten. Gleichzeitig sollen Schulen den Freiraum bekommen, anderes Personal
hinzuzuziehen, solange nicht ausreichend Lehrkräfte zur Einstellung verfügbar
sind. Dadurch gewährleisten wir, dass Schulen eigenverantwortlich planen können.
Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, die Ausbildung von Lehrer*innen zu reformieren,
um sie besser auf die veränderten und wachsenden Herausforderungen des Berufs
vorzubereiten. Dafür ist es erforderlich, Lehrer*innen nicht länger nach
Schulformen getrennt auszubilden, sondern orientiert an Jahrgangsstufen. Hierzu
gehört auch, das Studium der Sonderpädagogik in dieses Stufenmodell stärker
einzubeziehen. Darüber hinaus werden wir eine Qualifizierungsoffensive für guten
Unterricht auf den Weg bringen, um Lehrer*innen auf die Herausforderungen einer
individualisierten und inklusiven Pädagogik gut vorzubereiten. Die
Lehrer*innenbildung muss in beiden Ausbildungsphasen noch stärker an den
Bedürfnissen der integrativ arbeitenden Schulen ausgerichtet werden. Hierfür
schaffen wir die Rahmenbedingungen. Wir setzen uns dafür ein, dass der
fächerübergreifende und projektorienierte Ansatz dieser Schulen in die
Ausbildung einfließt.
Sonderpädagog*innen haben in den vergangenen Jahren einen Großteil der Reformen
hin zur Inklusion getragen. Ihr Berufsbild hat sich dabei nachhaltig geändert.
Wir wollen die Anerkennung ihrer Fachkompetenz als Spezialist*innen der
Inklusion an den Schulen stärken, ihre Rolle klarer definieren und ihre
beruflichen Entwicklungsperspektiven ausbauen.
Schule als demokratisches System
Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass an Niedersachsens Schulen die Beteiligung
der Schüler*innen und Eltern, aber auch weiterer Statusgruppen, verbessert wird.
Demokratie lernen heißt auch Demokratie leben. Hier setzen wir uns dafür ein,
eine demokratische Kultur an Schulen zu etablieren. Ob es nun die Einrichtung
von Schulplenen, das Initiativrecht im Schulvorstand, die Mitgestaltung der
Unterrichtseinheiten oder andere Formen der Beteiligung der Statusgruppen an
Schulen sind – wir GRÜNEN ermöglichen mehr Beteiligung an Schulen und fördern
diese durch flächendeckende Qualifizierungsangebote auch für Schüler*innen und
Eltern. Darüber hinaus sorgen wir dafür, dass Schüler*innen auch bei allen
schulpolitischen Entscheidungen auf den Ebenen der Schulträger, der
Schulbehörden und der Landespolitik einbezogen werden.
Gute Ausbildung: Den Fachkräftemangel überwinden
Die duale Ausbildung mit den beiden Lernorten Betrieb und Berufsschule ist ein
erfolgreicher Weg, um jungen Menschen berufliche Qualifizierung zu ermöglichen
und dem Fachkräftebedarf zu begegnen. Aktuell steht dieses Modell jedoch von
zwei Seiten zunehmend unter Druck: Aufgrund des demografischen Wandels nimmt die
Zahl der Schulabgänger*innen ab und gleichzeitig sinkt der Anteil derjenigen,
die sich für eine duale Ausbildung entscheiden. Wir GRÜNEN setzen uns dafür ein,
den gesellschaftlichen Stellenwert der dualen Berufsausbildung zu verbessern.
Gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern sowie dem Handwerk bringen wir
eine neue Initiative zur Fachkräftegewinnung auf den Weg. Unser Ziel ist es,
Betriebe und Berufsbildende Schulen dabei zu unterstützen, wirksame Konzepte zu
entwickeln, damit der Fachkräftenachwuchs gesichert wird.
Damit ausreichend Auszubildende gefunden werden können, bedarf es einer
Aufwertung der dualen Ausbildung. Hierzu gehört beispielsweise eine gute
Entlohnung für Auszubildende und eine bessere Unterstützungsinfrastruktur. Daher
setzen wir uns dafür ein, dass auch Auszubildende zukünftig mit einem
landesweiten 365-Euro-Ticket für Busse und Bahnen mobil sind (vgl. Mobil in
Niedersachsen). An den Berufsschulstandorten soll es für Auszubildende, die von
weiter weg anreisen, Modelle für bessere Unterbringungsmöglichkeiten, etwa
Azubiwohnheime, geben. Wir weiten die kostenfreie Schüler*innenbeförderung auf
die Schüler*innen der Sekundarstufe II der Allgemeinbildenden Schulen und der
Berufsbildenden Schulen aus. Für uns GRÜNE ist zudem nicht einsehbar, warum das
Masterstudium gebührenfrei ist, die Meisterausbildung im Handwerk aber bis zu
10.000 Euro kostet. Daher setzen wir uns für eine gebührenfreie
Meisterausbildung ein.
Darüber hinaus muss die Durchlässigkeit zwischen Studium und betrieblicher
Ausbildung verbessert werden. So gilt es, eine bessere Verzahnung mit dualen
Studienmöglichkeiten zu gestalten, damit Auszubildende neben dem
Ausbildungsabschluss auch einen Studienabschluss erreichen können (vgl.
Wissenschaft macht Zukunft). Hierbei setzen wir uns für flexible Modelle ein, um
beispielsweise Ausbildung und Studium gut aufeinander abstimmen und
beispielsweise mit Teilzeitmodellen zeitlich strecken zu können. Die Qualität
der Ausbildung in Betrieb und Berufsschule wollen wir durch eine unabhängige und
öffentlich finanzierte Stelle sichern, die betriebliche und schulische
Ausbildungsqualität evaluiert und bei Mängeln Maßnahmen empfiehlt. Gemeinsam mit
den Sozialpartnern sollen dazu Bewertungssysteme für die Qualität einer
Ausbildung entwickelt werden.
Nach wie vor ist der Anteil eines Jahrgangs, der ohne qualifizierten
Berufsabschluss auf den Arbeitsmarkt kommt, zu hoch – die Pandemie hat diese
Situation noch weiter verschärft. Zudem verlassen zu viele junge Menschen das
allgemeinbildende Schulsystem ohne Abschluss. Hier wollen wir zum einen im
Schulbereich gegensteuern und zugleich die Berufsberatung ausbauen. Zum anderen
streben wir eine bessere Verzahnungder schulischen Bildung mit der dualen
Ausbildung sowie Qualifizierungen an, um alle Ausbildungsinteressierten auch in
die Lage zu versetzen, diese erfolgreich zu beginnen. Während auf der einen
Seite betriebliche Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, gehen auf der anderen
Seite viele junge Menschen bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle leer aus.
Das trifft vor allem Jugendliche mit niedrigem formalen Bildungsgrad und
Migrationsgeschichte. Wir begrüßen daher die Pläne der Ampelkoalition im Bund
für eine Ausbildungsgarantie, damit endlich alle jungen Menschen die Chancen auf
einen vollqualifizierenden Ausbildungsplatz erhalten. Wir wollen zudem dafür
sorgen, dass es sich für Unternehmen mehr lohnt auszubilden. Das in der
Baubranche bereits erfolgreich praktizierte Modell der Ausbildungsplatzumlage
wollen wir auf ganz Niedersachsen ausdehnen: Unternehmen, die nicht ausbilden,
zahlen in einen Fonds ein; Unternehmen, die ausbilden, erhalten pro
Ausbildungsplatz eine Prämie aus diesem Fonds.
Mehr denn je wird es auch zukünftig darauf ankommen, gezielt und effektiv
Menschen mit Migrationsgeschichte den Zugang zur dualen Ausbildung zu
ermöglichen. Daher wollen wir SPRINT, das Sprach- und Integrationsprojekt der
Landesregierung für jugendliche Flüchtlinge, in den Regelschulbetrieb der
Berufsschulen überführen. Um junge Menschen mit schwierigen Ausgangsbedingungen
nicht weiter zu benachteiligen, schaffen wir die Kostenheranziehung für
Auszubildende, die in Pflegefamilien oder Kinder- und Jugendheimen untergebracht
sind oder waren, ab.
Die berufliche Bildung – von der Erstausbildung bis zur beruflichen Fort- und
Weiterbildung – muss sich auf den schnellen Wandel der Arbeitswelt einstellen.
Aufgaben und Anforderungen ändern sich grundsätzlich. Kompetenzen wie
Prozessmanagement und IT-Kenntnisse gewinnen an Bedeutung. Die Auszubildenden
benötigen hier zusätzliches Wissen, ohne dass bisherige Inhalte durch die
Digitalisierung überflüssig werden. Gerade kleine und mittelständische
Unternehmen, die in Niedersachsen mehr als drei Viertel aller Ausbildungsplätze
anbieten, wollen wir dabei unterstützen, diese zusätzlichen Kompetenzen zu
vermitteln. In Regierungsverantwortung haben wir GRÜNEN daher sogenannte Smart
Factories als Lernwerkstätten an Berufsbildenden Schulen eingerichtet, die an
den realen Produktionsbedingungen moderner, digital arbeitender Betriebe
ausgerichtet sind. Daran wollen wir anknüpfen und das Modell der Smart Factories
landesweit umsetzen.
Berufsbildende Schulen
Wir GRÜNEN setzen uns für die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher
Bildung ein. Die berufliche Bildung steht in einem Flächenland wie Niedersachsen
vor der Herausforderung, wohnortnah qualitativ hochwertige Angebote zu erhalten.
Vor allem in den Berufsbildenden Schulen ist die Unterrichtsversorgung nach wie
vor unzureichend und droht, sich weiter zu verschlechtern. Um dem
Lehrer*innenmangel zu begegnen, starten wir eine Fachkräfteinitiative, um den
Lehrberuf an berufsbildenden Schulen für Quereinsteiger*innen aus Handwerk und
Industrie attraktiver zu machen. Insbesondere die Arbeitsbedingungen von
Fachpraxislehrer*innen wollen wir verbessern. Wir wollen erreichen, dass die
Fachpraxislehrer*innen in den Berufsschulen mit der Eingangsbesoldung A10
beginnen und die Aufstiegschancen besser werden. Gerade Fachpraxislehrer*innen
leisten in den Berufsschulen in der Verzahnung von Theorie und Praxis
hochqualifizierte pädagogische Arbeit. Zusätzlich wollen wir die
Studienplatzkapazitäten für das Lehramt an Berufsbildenden Schulen ausweiten, um
perspektivisch wieder mehr grundständig ausgebildete Berufsschullehrer*innen zu
haben. Wir befördern die niedersächsischen Berufsschulen mit einer
Modernisierungs- und Digitalisierungsoffensive endlich ins 21. Jahrhundert.
Diese Kraftanstrengung wollen wir gemeinsam mit den Kammern und den
Sozialpartnern zügig und konsequent angehen.
Die Ressourcen, die Berufsschulen bieten, wollen wir breiter als bisher nutzen:
Dazu wollen wir Berufsschulen zu Kompetenzzentren beruflicher Bildung
weiterentwickeln, um die Kapazitäten der Berufsschulen unterschiedlichen Gruppen
für Weiterbildungen und Umschulungen anzubieten. Da sich die Halbwertszeiten der
im Rahmen der Berufsausbildung erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten deutlich
verkürzen und sich die Anforderungen im Zuge der Digitalisierung in manchen
Berufen erheblich ändern, müssen wir den Arbeitnehmer*innen gezielte Angebote
machen, um sich rechtzeitig den verändernden Anforderungen anpassen zu können.
Damit die Berufsbildenden Schulen diesen neuen Anforderungen gerecht werden
können, statten wir sie deutlich besser aus. Gemeinsam mit den Berufsbildenden
Schulen wollen wir die Eigenständigkeit der regionalen Kompetenzzentren stärken.
Um Berufsschüler*innen die Grundlagen betrieblicher Mitbestimmung und
gewerkschaftlicher Arbeit näherzubringen, setzen wir uns dafür ein, dass
Gewerkschaften in den Berufsschulen über ihre Arbeit informieren können.
Gerade die Berufsschulen leisten im Bereich der Inklusion seit Jahrzehnten eine
wichtige Arbeit und haben in Teilen eine Vorreiterrolle eingenommen. Wir GRÜNEN
setzen uns dafür ein, die Inklusion in der beruflichen Bildung auch im
Schulgesetz zu verankern, um rechtliche Verbindlichkeit und gute
Rahmenbedingungen zu definieren. Wir wollen die personellen und finanziellen
Rahmenbedingungen für einen Ausbau des gemeinsamen Unterrichts an allen
berufsbildenden Schulformen schaffen. Dafür ist eine entsprechende
Fortbildungsinitiative für Lehrer*innen und die Weiterentwicklung der
sonderpädagogischen Unterstützung notwendig. Die von der amtierenden
Landesregierung vorgenommene Streichung des Studiengangs Sonderpädagokik an
Berufsbildenden Schulen in Hannover war ein schwerer Fehler, den wir korrigieren
werden. Schulen und Schulträger müssen bei der Einrichtung von inklusiven
Lerngruppen beraten und unterstützt werden.
Wissenschaft gestaltet Zukunft
Wissen ist in unserem Land die entscheidende Ressource, um aktuelle und
zukünftige Herausforderungen erfolgreich anzugehen. Wissenschaft schafft
Innovationen, bietet Lösungsmöglichkeiten und zeigt neue Wege auf. Sie ist der
zentrale Schlüssel für das Gelingen des ökologisch-sozialen Umbaus und leistet
damit einen wichtigen Beitrag zu nachhaltiger wirtschaftlicher
Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlichem Wohlstand. Unser Ziel ist es,
Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Hochschulen und Forschungseinrichtungen
die nötigen Spielräume und die finanziellen Grundlagen bieten, um ihre
Potenziale zu entfalten.
Verlässliche Hochschulfinanzierung
Um ihren Forschungs- und Bildungsauftrag erfüllen zu können, benötigen die
Hochschulen in staatlicher Verantwortung eine verlässliche finanzielle
Ausstattung. SPD und CDU haben in den vergangenen Jahren mit ihrer
Kürzungspolitik den Grundgedanken des Hochschul-entwicklungsvertrages
unterlaufen, den Hochschulen Handlungsspielraum genommen und viel Vertrauen
verspielt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich für eine bedarfsgerechte
Grundfinanzierung ein, die den Hochschulen Planungssicherheit gibt, wachsenden
Anforderungen Rechnung trägt und Raum für die zukünftige Entwicklung gibt.
Hierzu gehört auch eine verlässliche landesseitige Kofinanzierung von Bundes-
und EU-Mitteln, damit niedersächsische Hochschulen an diesen bestmöglich
partizipieren können.
Gebührenfreies Studium und gute Studienbedingungen
Studiengebühren sind eine soziale Zugangshürde und verhindern
Chancengerechtigkeit. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für ein gebührenfreies
Studium, damit der Besuch einer Hochschule nicht vom Einkommen der Eltern
abhängig ist. Wir setzen uns für eine weitere Öffnung und mehr Diversität der
Hochschulen ein, um die nach wie vor skandalöse Abhängigkeit des Bildungserfolgs
von der sozialen Herkunft zu entkoppeln. Dazu gehört, dass mehr Menschen,
insbesondere diejenigen, die nicht aus einer klassischen Akademiker*innenfamilie
stammen, ermutigt und dabei unterstützt werden, ein Hochschulstudium
aufzunehmen.
Unser Ziel ist die Gestaltung von guten Bedingungen in Studium und Lehre.
Hierfür sind die noch unter GRÜNER Regierungsbeteiligung von 2013 bis 2017
eingeführten Studienqualitätsmittel auch zukünftig ein wichtiges Instrument, um
die Studienbedingungen weiter zu verbessern. Wir wollen, dass die Studierenden
wieder maßgeblich darüber entscheiden können, wie diese Mittel verwendet werden
und sorgen dafür, dass die Mittel tatsächlich für die Verbesserung der
Studienqualität und der Lehre eingesetzt werden und nicht fehlende Mittel für
die Bauunterhaltung kompensieren müssen.
Der Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken leistet als Nachfolger des
Hochschulpakts 2020 einen wichtigen Beitrag, um für bessere Studienbedingungen
zu sorgen und die Studienkapazitäten bedarfsgerecht zu gestalten. Unser Ziel ist
es, diese Finanzierung zu verstetigen und so insbesondere mehr Professor*innen
sowie weiteres unbefristetes Lehrpersonal an den Hochschulen zu ermöglichen,
damit eine dauerhafte Verbesserung des Betreuungsschlüssels erreicht werden
kann. Nicht zuletzt in der Pandemie haben die Hochschulen gezeigt, dass sie in
der Lage sind, auf neue Herausforderungen flexibel und schnell zu reagieren und
auch in der Lehre neue Wege zu gehen. Die Präsenzlehre muss auch zukünftig
zentraler Bestandteil der Hochschullehre sein. Wir wollen jedoch mehr Spielräume
für innovative Lehre schaffen, beispielsweise durch eine bessere Verknüpfung
analoger und digitaler Elemente. Hierzu gehört auch eine gute digitale
Ausstattung der Hochschulen sowie regelmäßige didaktische Weiterbildungen des
akademischen Personals.
Wir wollen die Anerkennung von guter Lehre in der Wissenschaftsförderung stärker
berücksichtigen. Außerdem planen wir, die Betreuungsverhältnisse zu evaluieren
und bei Bedarf nachzusteuern, um die Qualität auch in viel nachgefragten Fächern
und Studienschwerpunkten zu sichern. Studienangebote müssen mit den Lebens- und
Lernbedingungen von Studierenden vereinbar sein. Verschulte Strukturen passen
nicht zu einem selbstbestimmten Studienalltag. Wir wollen den Rahmen dafür
schaffen, dass ein Studium beispielsweise auch für Berufstätige sowie zur
Vereinbarkeit von Studium und Familie oder die Pflege von Angehörigen möglichst
flexibel und individuell gestaltet werden kann.
Noch immer ist die Zahl der Studienabbrecher*innen gerade in den sogenannten
MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) viel zu
hoch. Unser Ziel ist es, den Studienerfolg nachhaltig zu fördern und die
Studierenden bestmöglich zu unterstützen. Hierzu gehört eine bessere Beratungs-
und Unterstützungsinfrastruktur, die Studierenden ohne zusätzliche Kosten zur
Verfügung steht und die wir ebenso wie mehr vorbereitende Bildungsangebote sowie
studienbegleitende Tutorien und Mentor*innenprogramme fördern wollen.
Zudem schaffen wir eine höhere Durchlässigkeit zwischen dualer Ausbildung und
Hochschul-studium und bauen praxisnahe sowie duale Studienmöglichkeiten aus.
Eine wichtige Rolle spielt auch dafür eine weitere Stärkung der Hochschulen für
angewandte Wissenschaften (Fachhochschulen). Hierbei sind uns auch neue Zugänge
für Menschen wichtig, die mit oder aus einem bereits begonnenen Arbeitsleben
berufsbegleitend im Sinne einer akademischen Weiterbildung studieren möchten.
Damit die Doppelbelastung durch Hochschulstudium und gleichzeitige Ausbildung
oder Arbeit im Betrieb nicht zum Burnout-Faktor werden, wollen wir uns dafür
einsetzen, dass die Regelstudienzeit für Dual- und Trialstudierende flexibler
gehandhabt wird. Die oft einseitige Fokussierung auf Noten bei der Zulassung zu
zulassungsbeschränkten Studiengängen wird den Erfordernissen von Studium und
späterem Beruf nicht gerecht. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass in Zukunft
fachliche Eignung, gesellschaftliches Engagement und berufliche Vorerfahrung
stärker bei der Zulassung gewichtet werden.
Vielfältige Hochschullandschaft
Die niedersächsische Hochschullandschaft ist durch eine große Vielfalt aus
Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Berufsakademien sowie
staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen geprägt. Niedersachsen verfügt
über exzellente Hochschulen und Spitzenforschung ebenso wie über
anwendungsorientierte Einrichtungen – und damit insgesamt über ein breites
Angebot an unterschiedlichen Studienmöglichkeiten. Im Sinne der
Hochschulautonomie setzen sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dafür ein, dass Hochschulen
über ein eigenständiges Profil und den notwendigen Gestaltungsspielraum für eine
zukunftsorientierte Entwicklung verfügen. Hierzu wollen wir die Hochschulen
dabei unterstützen, neue Wege auszuprobieren.
Niedersächsische Hochschulen beweisen Tag für Tag, dass hier auf exzellentem
Niveau geforscht und gelehrt wird. Wir schaffen die notwendigen
organisatorischen sowie finanziellen Rahmenbedingungen für die Hochschulen.
Dabei ist für uns GRÜNE klar: Exzellente Ergebnisse in der Spitze sind nur durch
eine gute Aufstellung in der Breite möglich – sie bedingen sich gegenseitig und
geben einander neue Impulse.
Soziale Infrastruktur für Studierende ausbauen
Für ein erfolgreiches Studium braucht es mehr als gut ausgestattete Hochschulen.
Gerade Menschen aus einkommensschwächeren Haushalten sind auf eine
funktionierende soziale Infrastruktur angewiesen. Insbesondere durch die Folgen
der Covid-19-Pandemie ist zudem der Bedarf für die psychosoziale Unterstützung
von Studierenden und damit nach entsprechenden Angeboten der Studentenwerke
gestiegen. Dennoch sind die Landesmittel an die Studentenwerke seit 2014 nicht
mehr angehoben worden, obwohl die Zahl der Studierenden zeitgleich deutlich
gestiegen ist. Die Kosten der Studentenwerke decken die Studierenden nun zu
einem immer größeren Teil selbst. So ist es nicht verwunderlich, dass viele der
Hochschulen mit den höchsten Semesterbeiträgen deutschlandweit in Niedersachsen
liegen. Wir GRÜNEN setzen uns für eine bedarfsgerechte und verlässliche
Finanzierung der Studentenwerke und zusätzlichen günstigen Wohnraum für
Studierende ein. Dabei ist sicherzustellen, dass die Studierenden nicht über
Gebühr belastet werden.
Wir setzen uns auf Bundesebene für die Gestaltung einer gerechten
Studienfinanzierung ein, die allen Menschen unabhängig vom Einkommen ein Studium
ermöglicht. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in seiner aktuellen
Ausgestaltung reicht nicht aus, um Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. Wir
begrüßen deshalb, dass die neue Bundesregierung das BAföG öffnen und
elternunabhängiger gestalten möchte und setzen uns dafür ein, dass auch
Teilzeitstudierende BAföG beziehen können.
Hochschulen zu Reallaboren für Klimaneutralität machen
An den Hochschulen gibt es einen gewaltigen Investitionsstau – sowohl im Bereich
des Gebäudebestandes als auch bei notwendigen Neubauten. Dieser bedeutet nicht
nur eine Herausforderung für die Sicherung des Studien- und Forschungsbetriebes,
sondern ist auch aus Gründen des Klimaschutzes nicht länger zu akzeptieren. Denn
ein großer Teil der Landesliegenschaften sind Hochschulgebäude, die wiederum
einen hohen Anteil am Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen der
Landesverwaltung haben. Unser Ziel ist es daher, Hochschulen zu Reallaboren des
Wandels zu machen: von einer stärkeren und breiteren Verankerung von
nachhaltigen Studieninhalten und der Einrichtung neuer Klimaschutz-Professuren
über den Auf- und Ausbau von Green Offices bis zum Hochschulbau. Daher setzen
sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für eine klimagerechte Gebäudesanierung sowie
nachhaltige Energiekonzepte an allen Hochschulstandorten ein. Diese Maßnahmen
können eine Strahlkraft weit über den Campus hinaus entfalten. Finanziert werden
sollen diese Zukunftsinvestitionen über den Niedersachsenfonds und
Landesgesellschaften (vgl. Nachhaltig Haushalten). Auch für den Neubau der
Hochschulkliniken in Hannover und Göttingen wollen wir einen bestmöglichen
Klimastandard erreichen. Die erforderlichen Mittel werden aus dem
Niedersachsenfonds bereitgestellt.
Forschung nachhaltig gestalten
Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, welche Bedeutung die
Wissenschaft für Erkenntnisgewinn und die Entwicklung von Lösungen für die
großen Herausforderungen unserer Zeit hat. Ohne Wissenschaft ist auch kein
Fortschritt möglich. Daher setzen wir uns dafür ein, die Forschung vom
Grundlagenbereich bis zu konkreten anwendungsbezogenen Projekten zu stärken.
Dies gilt insbesondere für transformative Forschungsbereiche, bei denen es um
den Erhalt unserer Lebensgrundlagen sowie die Gestaltung des damit verbundenen
notwendigen klimagerechten Umbaus geht. Auch in diesem Sinne schaffen wir neue
und zusätzliche Professuren für den Bereich des Klimaschutzes, um diesen
Kompetenzbereich an den Hochschulen und damit in der Forschung auszubauen und
weiterzuentwickeln. Zu einer erfolgreichen Forschung gehört auch, den Wissens-
und Technologietransfer in die Praxis zu verbessern, damit neue Lösungen noch
schneller dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Bereits bei der Konzeption
neuer Ausschreibungen und Forschungsförderungen wollen wir den Transfergedanken
zu einem wichtigen Baustein machen (vgl. Innovatives Niedersachsen).
Wissenschaft hat dabei eine gesellschaftliche Verantwortung. Umso wichtiger ist
Transparenz in der Forschung und der Austausch zwischen Wissenschaft und
Gesellschaft. Dies gilt insbesondere bei kritischen Forschungsvorhaben
beispielsweise im Bereich von Risikotechnologien und militärisch relevanten
Projekten. Wir treiben Alternativen zu Tierversuchen voran, um diese
perspektivisch überflüssig zu machen (vgl. Für einen konsequenten Tierschutz).
Auch die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, Verständnis für
wissenschaftliches Arbeiten zu schaffen. Hier kommt der
Wissenschaftskommunikation eine zentrale Funktion zu, die wir zukünftig noch
stärker fördern wollen. Wissenschaft und Freiheit bedingen sich gegenseitig.
Daher ist unser Ziel, auch zukünftig eine offene Diskussionskultur an den
Hochschulen zu fördern.
Mehr Beteiligung wagen
Hochschulen leben von einer aktiven demokratischen Kultur und einer
funktionierenden akademischen Selbstverwaltung. Wir setzen uns dafür ein, dass
alle, die an den Hochschulen lehren, arbeiten und studieren, die Chance haben,
sich zu beteiligen. Hierzu gehört insbesondere auch die Mitbestimmung von
Studierenden. In allen Bereichen, in denen verfassungsrechtlich keine Mehrheit
der Professor*innen vorgeschrieben ist, möchten wir mehr Beteiligungsrechte für
Studierende und Beschäftigte erreichen.
Internationalisierung und Digitalisierung
Wissenschaft ist grenzenlos und lebt vom internationalen Austausch. Die
Vernetzung unserer Hochschulen auf europäischer und internationaler Ebene wollen
wir daher stärken. Wir unterstützen die Hochschulen bei der internationalen
Vernetzung und beim Abbau von Hürden bei der internationalen Mobilität von
Studierenden und Forschenden. Hierzu gehört auch die gezielte Förderung der
niedersächsischen Hochschulen, um in europäischen Förderprogrammen erfolgreich
zu sein und Niedersachsen als Wissenschaftsstandort in Europa zu stärken sowie
die europäische Idee insgesamt voranzubringen. Die Digitalisierung ermöglicht
es, ein Studium an verschiedenen Standorten gleichzeitig zu absolvieren, ob in
Niedersachsen, deutschlandweit oder international. Die technischen
Voraussetzungen für einen virtuellen transnationalen Campus sind inzwischen
gegeben. Wir setzen uns dafür ein, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen so
anzupassen, dass Studierende und Forschende zukünftig einfacher von den Chancen
der Digitalisierung profitieren können.
Gute Arbeit und Gleichstellung
Wer kluge Köpfe halten und fördern will, muss gute Arbeitsbedingungen gestalten
und den Mitarbeiter*innen der Hochschulen Perspektiven bieten. BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN setzen sich dafür ein, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und
auch für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und den Mittelbau bessere
Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft zu schaffen. Für Daueraufgaben
müssen zukünftig auch Dauerstellen geschaffen werden. Die beruflichen
Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses wollen wir durch neue
akademische, u. a. familienfreundlichere Karrieremodelle auch für den Mittelbau
stärken. Zwar sind rund die Hälfte der Studierenden und Promovierenden Frauen –
jedoch spiegelt sich dieses Verhältnis bei den Professuren und
Leitungsfunktionen der Hochschulen bei weitem nicht wider. Für uns GRÜNE ist
Gleichstellung eine gesellschaftliche Querschnittsaufgabe, die wir auch an den
Hochschulen vorantreiben wollen. Insbesondere der Übergang von Promotion zur
Professur muss verbessert werden, damit Frauen gleiche Karrierechancen haben.
Die Dialoginitiative geschlechtergerechte Hochschulkultur hat hierfür bereits
wichtige Impulse geliefert, die wir durch ein Mehr an Verbindlichkeit aufwerten
und fördern werden. Wir wollen auch erreichen, dass studentische Hilfskräfte in
die betriebliche Mitbestimmung einbezogen und tarifliche Mindeststandards
gesichert werden.
4. Erwachsenenbildung stärken
Bildung endet nicht mit der Schulzeit und Ausbildung. Eine sich rasant
verändernde Arbeitswelt und gesellschaftliche Wandlungsprozesse erfordern es,
Bildung als lebensbegleitenden Prozess zu verstehen. So sind Angebote der
Grundbildung und des zweiten Bildungswegs für viele Menschen eine Chance, ihre
Teilhabemöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und im sozialen Leben zu verbessern.
Auch die Integration von Geflüchteten erfordert umfassende Angebote im Sinne von
Bildungsketten wie Sprachkurse, Angebote der Grund- und beruflichen Bildung. Die
Erwachsenenbildung leistet hier einen wichtigen Beitrag für mehr
Chancengerechtigkeit, gesellschaftliche Teilhabe, Integration, Weiterbildung und
Fachkräftesicherung sowie zur politischen Bildung (vgl. Für eine vielfältige und
offene Gesellschaft). BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, die
Erwachsenenbildung als wichtiges Standbein der Bildungslandschaft in
Niedersachsen auszubauen. Die freie Erwachsenenbildung stellt Angebote für
verschiedene Bedarfe in den unterschiedlichen Lebensphasen bereit. Damit
Menschen die für sie passenden Bildungswege und Angebote finden, wollen wir die
trägerunabhängige Bildungsberatung auch zukünftig stärken.
Ein Prozent des Bildungsetats für Weiterbildung
Die sich durch eine rasant verändernde Gesellschaft und Arbeitswelt wandelnden
Anforderungen an die Erwachsenenbildung sind auch mit einem erhöhten
Förderbedarf verbunden. Das gilt sowohl für den Bereich der Förderung von
Geflüchteten mit Sprachkursen und weiteren Bildungsmaßnahmen als auch für die
Grundbildung, den zweiten Bildungsweg, die fortlaufende Qualifizierung des
Personals sowie eine strukturierte Nachwuchsgewinnung. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
setzen sich dafür ein, das Bildungsbudget für Weiterbildung auf ein Prozent des
gesamten Bildungsetats zu erhöhen (vgl. Gute Arbeit in Niedersachsen).
Grundbildung und Alphabetisierung
Angebote im Bereich der Grundbildung, Alphabetisierung und nachholende
Schulabschlüsse vermitteln wichtige Schlüsselqualifikationen. Sie sind die Basis
für die Teilhabe an weiteren Bildungsangeboten und für den Weg in den
Arbeitsmarkt. Diese Angebote sind insbesondere für Menschen in prekären
Lebensverhältnissen oder mit formal geringer Bildung wichtig. Sie bedürfen einer
niedrigschwelligen und zielgruppenorientierten Ausrichtung mit aufsuchenden und
sozialraumbezogenen Bildungsangeboten, die sowohl Jüngere als auch die wachsende
Zielgruppe der älteren Menschen berücksichtigt. Wir GRÜNEN wollen diese
besonders fördern, ausbauen und weiterentwickeln. Hohe Teilnahmebeiträge können
dabei eine abschreckende Wirkung entfalten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich
daher dafür ein, diese Angebote zukünftig gebührenfrei zu gestalten.
Neue Formate und Digitalisierung
Die Digitalisierung hat sowohl für die inhaltlichen Angebote als auch für die
Arbeitsweise der Erwachsenenbildung nicht erst seit der Covid-19-Pandemie eine
hohe Bedeutung. Sie verändert die Qualifikationsanforderungen an die Menschen
und erfordert damit auch eine inhaltliche Neugestaltung der Angebote und Formate
in der Erwachsenenbildung. Neue Formate mit flexibleren Nutzungsformen werden
benötigt, beispielsweise durch die Bereitstellung von mehr Onlineangeboten und
virtuellen Veranstaltungen mit einer darauf ausgerichteten Pädagogik. So
verändert Digitalisierung gleichzeitig die Arbeitsbedingungen in der
Erwachsenenbildung. Dozent*innen sind nicht mehr nur Pädagog*innen, sondern
benötigen Kompetenzen, Lerninhalte digital zu vermitteln. Wir wollen nicht
zuletzt die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den pandemiebedingten Umstellungen
auf den Onlinebetrieb nutzen, um diesen Umstellungsprozess zu verstetigen und
weiterzuentwickeln.
Starke Familien: Selbstbestimmt leben von der Kindheit bis ins Alter
GRÜNE Familienpolitik stellt Kinder und Jugendliche mit ihren eigenen
Bedürfnissen und Rechten in den Mittelpunkt. In der Pandemie musste die junge
Generation besonders zurückstecken. Kinder und Jugendliche haben in besonderem
Maße gesellschaftliche Solidarität gegenüber älteren Menschen geleistet und
unter den pandemiebedingten Einschränkungen selbst besonders gelitten. Wir
GRÜNEN setzen uns dafür ein, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen
zukünftig besser gehört und ihre Anliegen endlich ernst genommen werden.
Wichtige Hinweise dafür kann die Einführung eines regelmäßigen Monitorings zur
Lage von Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen unter Beteiligung des
Landesjugendhilfeausschusses und der Kinder- und Jugendkommission liefern.
Familie ist da, wo Menschen füreinander sorgen. Für eine gute Familienpolitik
bedarf es guter beruflicher und finanzieller Rahmenbedingungen für die
sogenannte Sorgearbeit: Wer pflegt, Kinder versorgt und Verantwortung für andere
Menschen übernimmt, muss hierbei unterstützt werden. Deshalb setzen wir uns auch
dafür ein, dass sogenannte Regenbogen- und Patchwork-Familien endlich rechtlich
anerkannt werden, beispielsweise im Familien- und Adoptionsrecht.
Mehrelternschaft soll möglich sein und alle Formen von
Verantwortungsgemeinschaften jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe sollen
anerkannt werden.
Kinderrechte stärken
Kinder sind unsere Zukunft – und trotzdem werden viel zu viele Entscheidungen
über ihre Köpfe hinweg und zu ihren Lasten getroffen. Das müssen wir dringend
ändern. Kinder und Jugendliche haben eigene Rechte, die es zu respektieren und
zu verteidigen gilt. Sie müssen sich in Gesetzgebungsprozessen ebenso
widerspiegeln wie in der Schulstruktur und dem familiären Umfeld. Um diesen
Rechten den verdienten Rang einzuräumen, setzen wir GRÜNEN uns dafür ein, die
Kinderrechte in der Landesverfassung zu verankern.
Wir GRÜNEN stehen für eine Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre und mehr
politische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, die wir als kommunale
Aufgabe in der Niedersächsischen Kommunalverfassung verankern wollen. Egal, ob
es um den neuen Spielplatz, die Verkehrsführung auf dem Weg zur Schule oder die
Ausstattung der Bücherei vor Ort geht: Mitbestimmung beginnt im direkten
Lebensumfeld. Daher setzen wir GRÜNEN uns dafür ein, vor Ort in allen Bereichen,
in denen Kinder unterwegs oder betroffen sind, die Mitsprache von Kindern und
Jugendlichen konsequent zu stärken. Unser Ziel ist eine kinder- und
jugendgerechte Gesellschaft. Daher setzen wir uns dafür ein, dass zukünftig bei
allen Gesetzesvorhaben geprüft wird, welche Auswirkungen auf Kinder und
Jugendliche damit verbunden sind.
Kinderarmut beenden
Fast jedes vierte Kind in Niedersachsen lebt in Armut. In keiner anderen
Industrienation ist der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und
Ausbildungsabschluss so eindeutig und damit die soziale Durchlässigkeit so
gering wie in Deutschland. Gleichzeitig ist Kinderreichtum hier das Armutsrisiko
Nummer eins. Das wollen wir nicht hinnehmen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sorgen dafür,
dass die Teilhabe aller Kinder gesichert und die Grundlagen für ein
selbstbestimmtes Leben geschaffen werden. Wir begrüßen daher, dass die
Ampelkoalition im Bund eine Kindergrundsicherung auf den Weg bringt und
Kinderrechte endlich ins Grundgesetz schreibt. Wir wollen diese Initiativen als
Schwung für weitere Bemühungen zur Überwindung von Kinderarmut nutzen. Auf
Landesebene schaffen wir eine neue Sozialberichterstattung für Kinder,
investieren mehr Geld in soziale Einrichtungen für Kinder und Jugendliche,
unterstützen Quartiersarbeit und Nachbarschaftsinitiativen, fördern
Jugendzentren insbesondere in ländlichen Regionen stärker und weiten schulische
Ganztagsangebote aus. Wir wollen auch die Kommunen besser dabei unterstützen,
Kinderarmut und ihre Folgen vor Ort zu bekämpfen. Dafür fördern wir den Aufbau
von Präventionsketten, die ein abgestimmtes Vorgehen aller Akteur*innen aus den
Bereichen Bildung, Gesundheit, Kultur und Sport sowie eine kontinuierliche
Entwicklungs-förderung in allen Lebensphasen des Kinder- und Jugendalters
ermöglichen.
Mehr Freiräume für Kinder und Jugendliche
Kinder und Jugendliche brauchen für ihre Entwicklung Zeit und Raum zur
Entfaltung. Daher nehmen wir GRÜNEN Druck aus der Schule und sorgen damit für
mehr Freiheiten (vgl. GRÜNE Politik macht Schule). Der Jugendarbeit kommt dabei
eine zentrale Rolle zu. Sie unterstützt das gesellschaftliche Engagement von
Kindern und Jugendlichen und schafft ein vielfältiges Spektrum von Angeboten für
junge Menschen. Daher wollen wir die wichtige Arbeit der vielfältigen
Jugendverbände und Träger der Jugendarbeit besser fördern. Dazu zählt eine
bedarfsgerechte Erhöhung der Zuwendungen und eine Verstetigung von
Projektmitteln ebenso wie der Abbau bürokratischer Hürden. Zu diesem Zweck
werden wir das Jugendfördergesetz novellieren und an die Bedürfnisse der
modernen Jugendarbeit anpassen. Die Angebote der politischen Jugendbildung
entwickeln wir weiter und stärken die wichtige Arbeit der Landeszentrale für
politische Bildung. Auch in der Niedersächsischen Bauordnung wollen wir die
Vorgaben für Spiel-, Freizeit- und Bewegungsflächen verbessern (vgl. Für eine
vielfältige Gesellschaft).
Neben der Jugendverbandsarbeit sehen wir öffentliche Freiräume ohne
Konsumbindung wie Jugendzentren, Skateplätze und offene Treffs als wichtiges
Angebot. Wir setzen uns – frei nach dem Motto „Spielplatz statt Parkplatz“ –
dafür ein, Kommunen bei dem Erhalt und der Schaffung von Spiel-, Aufenthalts-
und Bewegungsflächen zu unterstützen (vgl. Mobil in Niedersachsen).
Kinderschutz ernst nehmen
Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gewaltfreies Aufwachsen und
körperliche Unversehrtheit. Wir werden die Empfehlungen der Enquete-Kommission
Kinderschutz deshalb konsequent umsetzen und mit einem neuen Kinderschutzgesetz
rechtlich absichern. Insbesondere stärken wir die Prävention und ermöglichen
eine frühzeitige Intervention dort, wo Kinder von Gewalt bedroht sind. Dafür
brauchen wir Schutzkonzepte in Kitas, Schulen, Sportvereinen und anderen
Einrichtungen, die regelmäßig mit Kindern arbeiten. Sowohl Haupt- als auch
Ehrenamtliche müssen dafür qualifiziert sein, Anzeichen von Gewalt zu erkennen
und entsprechend zu reagieren. Die Jugendämter wollen wir beim Kinderschutz
besser unterstützen und die Netzwerkarbeit mit Polizei, Justiz und
Beratungsstellen vor Ort fördern. Mit einem Childhood-Haus wollen wir Kindern,
die Opfer von Gewalt geworden sind, alle nötigen Hilfen aus einer Hand anbieten
und sie bestmöglich in Strafverfahren unterstützen. Beratungsstellen für Kinder,
die Gewalt erlebt haben, sichern wir finanziell ab und bauen das Angebot
insbesondere in der Fläche aus. Es braucht flächendeckende Netzwerkarbeit
zwischen den verschiedenen Akteur*innen, um den Kinderschutz grundsätzlich zu
stärken und Versorgungslücken zu schließen.
Jugendhilfe ist unverzichtbar
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich auf allen Ebenen gegen Sparmaßnahmen in der
Jugendhilfe und bei der Kinder- und Jugendarbeit ein. Wir unterstützen die
Anstrengungen, das Jugendhilferecht inklusiver zu gestalten und die
Rahmenbedingungen hier zu verbessern.
Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz stärkt die Rechte von Kindern in
Einrichtungen und Pflegefamilien. Zudem müssen jetzt Ombudsstellen, also
Beschwerdestellen für Kinder, Jugendliche und Familien, eingerichtet werden.
Diesen Prozess begrüßen wir und werden ihn weiter aktiv begleiten. Zudem muss
die wichtige Arbeit der Jugendwerkstätten gesichert und gleichzeitig geprüft
werden, wie die Finanzierung nachhaltiger gestaltet werden kann. Wir GRÜNEN
unterstützen ambulante Maßnahmen der Jugendhilfe und wollen die Hilfe für
straffällig gewordene Jugendliche weiter ausbauen. Wir stehen konsequent hinter
dem Leitprinzip „Jugendhilfe statt Knast“ und schaffen hierfür weiterhin die
notwendigen Rahmenbedingungen. Beim Eintreten in die Volljährigkeit verlieren
Jugendliche mit besonders herausforderndem Verhalten den Anspruch auf
Versorgungsleistungen, die ihnen beispielsweise die ausgiebige Betreuung durch
Dritte oder das Wohnen in gemeinsamen Wohnformen ermöglicht. Dies muss im
Landesinklusionsplan berücksichtigt werden. Wir wollen für mehr Angebote für
Jugendliche und junge Erwachsene sorgen und sie davor schützen, dass bei
Eintritt in die Volljährigkeit Hilfsangebote wegfallen.
Jugendhilfe muss alle Kinder mitnehmen, sei es über gute Rahmenbedingungen für
die Inklusion, das Vermitteln interkultureller Kompetenzen oder durch die
Überwindung von Kinderarmut. Dabei kommt der Jugendhilfe im Ganztagsschulbetrieb
eine zentrale Bedeutung zu. Hier muss die Schnittstelle von Land, Kommune,
Jugendhilfeträger und Schule verbessert werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden die
wichtige Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe auf Augenhöhe
weiterentwickeln und stärken.
Zeit für Familien
Nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen extremen
Belastungen gerade für Menschen mit Kindern haben gezeigt, welchen
Herausforderungen Familien ausgesetzt sind, um die alltägliche Balance zwischen
Erwerbs- und Familienarbeit zu meistern. Noch größer sind die Anforderungen an
alleinerziehende Elternteile, die es daher besonders zu berücksichtigen gilt.
Wir setzen uns dafür ein, dass Arbeit und Familie besser miteinander vereinbart
werden können und Familienzeit den notwendigen Raum bekommt. Hierfür arbeiten
wir auch in Niedersachsen beispielsweise durch gemeinsame Initiativen mit
Unternehmen und Gewerkschaften daran, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle
weiterzuentwickeln und auszubauen. Damit wollen wir Beschäftigten Arbeitszeiten
ermöglichen, die zu ihrem Leben passen – etwa um Kinder zu erziehen oder
Angehörige zu pflegen. Dem Land kommt hier auch als Arbeitgeber eine besondere
Vorbildfunktion und Verantwortung zu (vgl. Gute Arbeit in Niedersachsen).
Familien unterstützen
Familie ist da, wo Menschen füreinander sorgen und dauerhaft Verantwortung
übernehmen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, die frühen Hilfen und
Familienangebote zu sichern und auszubauen. Für uns ist es wichtig, dass die
Hilfe da ist, wo auch die Familien sind. Um das zu gewährleisten, müssen
Angebote wie Familienzentren konsequent gefördert und sozialräumlich orientiert
werden. Wir wollen Kommunen dabei unterstützen, Kitas und Grundschulen zu
Familienzentren und damit zu Orten des Austauschs, der Weiterbildung und einer
niedrigschwelligen Unterstützung von Eltern weiterzuentwickeln und mit
interprofessionellen Teams zu besetzen. Hierbei stärken wir auch die Beratung
und Unterstützung von Alleinerziehenden und solchen Familien, die Trennungen
vollziehen.
Mit dem Niedersachsenpass Teilhabe vereinfachen
Nach dem Vorbild einiger Kommunen führen wir einen Niedersachsenpass für alle
Menschen ein, die Sozialleistungen beziehen oder nur ein geringes Einkommen
haben. Mit dem Pass soll in ganz Niedersachsen der Zugang zu Museen, kulturellen
Einrichtungen oder die aktive Mitgliedschaft in Sportvereinen niederschwellig
möglich sein. Auch Vergünstigungen bei Strompreisen oder anderen Sozialtarifen
sind enthalten. Perspektivisch sollen außerdem alle Menschen mit
Niedersachsenpass Anspruch auf ein vergünstigtes landesweites Nahverkehrsticket
bekommen. Für Kinder und Jugendliche kann der Niedersachsenpass zudem
unkompliziert bei der Finanzierung von Mittagessen, Arbeitsmaterialien,
Sprachförderung, Musik- und Sportangeboten sowie Klassenausflügen unterstützen.
Wir wollen den Niedersachsenpass, dort wo sinnvoll, dazu nutzen, Leistungen aus
dem Bildungs- und Teilhabepaket noch einfacher zugänglich zu machen.
Selbstbestimmt altern
Immer mehr Menschen leben immer länger. Wir GRÜNE stellen die Menschen mit ihrem
Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Würde sowie die solidarische Absicherung des
Pflegerisikos in den Mittelpunkt unseres Handelns. Wir wollen dafür sorgen, dass
alte Menschen vor Armut geschützt werden, sich aktiv in die Gestaltung unserer
Gesellschaft einbringen und gesellschaftlich teilhaben, so lange wie möglich in
ihrem gewohnten Wohnumfeld leben und je nach Bedarf abgestufte Unterstützung in
Alltag und Pflege erhalten können.
Um Menschen solange wie möglich ein Leben in den eigenen vier Wänden zu
ermöglichen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass der begrenzte Wohnraum
sinnvoll verteilt wird, brauchen wir mehr barrierearmen und bezahlbaren Wohnraum
mit angeschlossener Quartierspflege. Die Orte, an denen ältere Menschen leben,
müssen Rahmenbedingungen bieten, die den Wunsch nach einem Altern in der
gewohnten Umgebung ermöglichen. Zu einer generationsgerechten Infrastruktur
gehören insbesondere eine wohnortnahe medizinische Versorgung, ein gut
ausgebauter und barrierefreier ÖPNV, Geschäfte des alltäglichen Bedarfs, aber
auch Begegnungsstätten. Um das Risiko stationärer Pflegebedürftigkeit im Alter
zu reduzieren, setzen wir auch auf die Prävention von Einsamkeit –
beispielsweise durch Nachbarschaftsinitiativen und generationenübergreifende
Wohn- und Begegnungsprojekte sowie die Förderung von niederschwelligen
Versorgungsangeboten und die Stärkung der Angebote haushaltswirtschaftlicher
Dienstleistungen.
Selbstbestimmt sterben
Viele Menschen haben den Wunsch, ihre letzten Tage und Stunden mit Freund*innen
und Angehörigen im gewohnten Lebensumfeld zu verbringen. Die Realität sieht
leider oft anders aus: Viele Menschen sterben allein oder in Pflegeheimen und
Krankenhäusern. Wir wollen ein menschenwürdiges Lebensende schwerstkranker
Menschen sicherstellen und unterstützen den Ausbau der palliativmedizinischen
Versorgung, insbesondere im ambulanten Bereich und auch für spezielle Angebote
für Kinder und Jugendliche (Kinderhospize).
Gesundheit und Pflege
GRÜNE Gesundheits- und Pflegepolitik setzt auf Prävention und Vorsorge,
gewährleistet eine wohnortnahe medizinische Versorgung, stärkt Patient*innen in
ihrer Selbstbestimmung und sorgt für gute Arbeitsbedingungen für die
Beschäftigten in unserem Gesundheitssystem. Gesundheit erhalten und Erkrankungen
vorbeugen steht für uns GRÜNE im Fokus unserer Gesundheitspolitik. Wir wissen,
dass die Chancen für ein gesundes Leben stark von Bildung, Einkommen,
Kompetenzförderung und gesellschaftlicher Teilhabe abhängen. Eine gerechte und
solidarische Gesellschaft, die Bildungschancen stärkt, Armut beendet,
Ungleichheit verringert und gesellschaftliche Teilhabe für alle ermöglicht, ist
deshalb ein zentrales Anliegen GRÜNER Gesundheitspolitik. Gesundheitsförderung
ist dann besonders effektiv, wenn sie dort verankert wird, wo die Menschen
leben, arbeiten, sich engagieren und lernen: Schlechte Arbeitsbedingungen,
Lärmbelastung und Luftverschmutzung am Wohnort sowie zu wenig Geld für gesundes
Essen machen krank. Wir wollen mit einer Politik, die gute Arbeit und gute Löhne
sicherstellt, gesundes Essen bezahlbar hält, die Lärm- und Schadstoffbelastung
senkt und Gemeinschaft fördert, dafür sorgen, dass Menschen in gesunden
Umgebungen leben. Menschen, die in soziale Notlagen, in Sucht- und Abhängigkeit
geraten sind, wollen wir dabei unterstützen, wieder auf die Beine zu kommen,
anstatt sie zu sanktionieren und zu verdrängen.
Den öffentlichen Gesundheitsdienst vom Kopf auf die Füße stellen
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) hat eine zentrale Stellung für
Gesundheitsförderung und Prävention. Sein Potenzial ist weit größer, als es
seine strukturellen Voraussetzungen zurzeit erlauben. Wie verletzlich uns ein
unzureichend ausgestatteter Öffentlicher Gesundheitsdienst macht, hat uns
zuletzt die Corona-Pandemie schmerzhaft vor Augen geführt. Wir wollen den ÖGD
strukturell stärken, damit er seine Aufgaben im Bereich Prävention und
Gesundheitsbildung in vollem Umfang wahrnehmen kann. Wir setzen uns für ein
gezieltes Gesundheitsmonitoring und die Durchführung kommunaler Gesundheits- und
Pflegekonferenzen ein. Die Kompetenz aller Gesundheitsfachberufe soll einen
höheren Stellenwert im ÖGD erhalten – beispielsweise durch sogenannte Community
Health Nurses (Gemeindeschwester Plus) oder in der Schulgesundheitspflege.
Außerdem wollen wir für einen wissenschaftlichen Unterbau des ÖGD die
Kooperationen mit Universitäten fördern und an den großen Universitätsstandorten
des Landes den Masterstudiengang Public Health einrichten. Mit einer
Landesstiftung Prävention wollen wir die Gelder aus dem Präventionsgesetz
bündeln und primär für Maßnahmen einsetzen, die dafür sorgen, dass Menschen in
gesunden Verhältnissen leben. Wir wollen die kommunale Gesundheitsberatung, etwa
in Form von Gesundheitskiosken, genauso wie die Erstellung von
Hitzeaktionsplänen fördern. Um Neuinfektionen mit sexuell übertragbaren
Infektionen zu verhindern und die Schwellen für den Zugang zu Behandlung zu
verringern, setzen wir auf Aufklärung über Schutzmöglichkeiten,
Entstigmatisierung, verbesserte Testmöglichkeiten und niedrigschwellige
Behandlungsmöglichkeiten. Die wichtige Arbeit der Aidshilfe in diesem Bereich
werden wir unterstützen.
Gut gerüstet für zukünftige Pandemien
Über die Hälfte (60 Prozent) der menschlichen Infektionskrankheiten stammen laut
UN von Tieren – Klimawandel und Umweltzerstörung beschleunigen die Entstehung
neuer Pandemien. Um die Entstehung neuer Pandemien zu verhindern und Ausbrüche
neuer Erreger lokal zu begrenzen, müssen multinationale
Gesundheitsorganisationen gestärkt, der Klimawandel effektiv bekämpft,
Lebensräume geschützt und Erreger überwacht werden. Auch das Land Niedersachsen
muss seinen Beitrag zu diesen globalen Aufgaben leisten, sich pandemiefest
aufstellen und die strukturellen Voraussetzungen für die Bekämpfung zukünftiger
Pandemien schaffen: Dafür wollen wir für eine auskömmliche Bevorratung mit
Schutzausrüstung sorgen, ein gestuftes Notfallversorgungskonzept schaffen,
Pandemieschutzübungen verankern und
Kapazitäten zur kurzfristigen Schaffung von (Intensiv-)Krankenbetten absichern.
Nach über zwei Jahren Pandemie hat die Landesregierung es versäumt,
flächendeckend Belüftungsanlagen in Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen
einzusetzen, um diese zum Teil noch immer ungeimpfte Gruppe bestmöglich zu
schützen. Wir wollen hier schnell handeln, Luftfilter einsetzen und diese
Einrichtungen auch baulich auf zukünftige Pandemien besser vorbereiten. In
Krisensituationen gilt: Schnelles, entschlossenes Handeln und das Nutzen von
innovativen Ansätzen sind entscheidend. Seit Januar 2021 fordern wir vehement
Abwasseruntersuchungen auf SARS-CoV-2-Viren als zuverlässiges Instrument für die
Prognose der Pandemieentwicklung und des Erkennens der Verbreitung neuer
Virusvarianten. Anders als die Koalition aus SPD und CDU werden wir GRÜNEN in
einer Landesregierung alle Ansätze nutzen, um gut vorbereitet zu sein und das
Risiko neuer Pandemien zu reduzieren.
Die Gefahren durch das Virus H5N1 (Geflügelpest) sind insbesondere in den
viehdichten Regionen in Niedersachsen als sehr hoch einzuschätzen. Aus Russland
und Großbritannien sind bereits Übertragungen des Virus auf Menschen bekannt
geworden. Zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier treiben wir den Umbau
der Tierhaltung hin zu tiergerechten Haltungssystemen und flächengebundener
Tierhaltung voran und nutzen aus Seuchenschutzgründen auch kurzfristige
Maßnahmen wie Wiederbelegungsverbote zumindest in den sehr viehdichten Regionen
(vgl. Für eine andere Agrarpolitik).
Gut versorgt in Stadt und Land
Unser Ziel ist eine bedarfsgerechte, wohnortnahe und verlässliche medizinische
Versorgung in ganz Niedersachsen. In allen Regionen des Landes verlieren wir
jedoch immer mehr Beschäftigte und Selbstständige in der Gesundheitsversorgung.
Beispielhaft zeigt sich dieser dramatische Trend bei der hausärztlichen
Versorgung: Schon heute sind in Niedersachsen über 400 der 5.100 Hausarztsitze
nicht besetzt und in den kommenden Jahren werden über 1.000 der gegenwärtig
praktizierenden Hausärzt*innen in den Ruhestand gehen. Die Wege, die für den
Zugang zu gesundheitlicher Versorgung zurückgelegt werden müssen, werden für
Menschen im ländlichen Raum immer länger. Immer mehr Menschen sorgen sich um
ihre Versorgung vor Ort. Viele wertvolle Vorschläge zur Verbesserung dieser
Situation hat die EnquetekommissionSicherstellung der ambulanten und stationären
medizinischen Versorgung in Niedersachsen erarbeitet. Wir wollen Tempo in die
Umsetzung der Vorschläge bringen. Dafür braucht es endlich eine Bedarfsplanung,
die Über- und Unterversorgung erfasst, Kapazitäten sinnvoll verteilt und
Mindest-erreichbarkeitsstandards setzt. Wie von Expert*innen schon lange
gefordert, werden wir die starren Grenzen stationärer und ambulanter Versorgung
überwinden und nichtärztliche Heilberufe stärker in die Primärversorgung
einbinden. Wir wollen insbesondere im ländlichen Raum ambulante, stationäre und
poststationäre Leistungserbringer zusammenschließen und mit Reha-Einrichtungen,
Apotheken und anderen Gesundheitseinrichtungen in integrierten
Versorgungszentren in öffentlicher Hand zusammenbringen. Für Patient*innen
bedeutet das, dass sie Präventionsangebote wie etwa Rückenkurse unter einem Dach
mit Hausärzt*innen, Fachärzt*innen, Sozialarbeiter*innen und Therapeut*innen
finden. Ihre Behandlung kann so interdisziplinär erfolgen. Für Beschäftigte
bedeutet das, in einem interdisziplinären Team mit familienfreundlichen
Arbeitszeiten tätig zu sein. Gleichzeitig finden sie hier die Möglichkeit, im
ländlichen Raum zu arbeiten, ohne dabei als Einzelkämpfer*in eine eigene Praxis
führen zu müssen. Wir wollen erreichen, dass Kommunen deutlich einfacher
Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gründen können: Dafür wollen wir
sicherstellen, dass Kommunen nach sechs Monaten auf nicht nachbesetzte Arztsitze
zugreifen können. Mittels Patient*innen-orientierter Digitalisierung wollen wir
Angebote besser vernetzen sowie Transparenz und Patientenautonomie stärken.
Telemedizinische Angebote treiben wir voran.
Krankenhauslandschaft zukunftsfähig und qualitativ hochwertig aufstellen
Die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen befindet sich längst im Wandel: hin
zu einer Grundversorgung in der Fläche und spezialisierten Zentren in großen
Kliniken. Diesen Wandel wollen wir mit einer vorausschauenden, an der
Behandlungsqualität orientierten Kranken-hausplanung zukunftsfähig gestalten. In
mindestens acht Versorgungsregionen wollen wir für ein Angebot mit
differenzierten Versorgungsstufen sorgen. In jeder Versorgungsregion soll es
neben den Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung mindestens ein
Krankenhaus der Schwerpunktversorgung geben. Krankenhäuser der Maximalversorgung
und Hochschulkliniken ergänzen das medizinische Angebot. Unser Ziel ist, eine
zeitgemäße, qualitätsorientierte und sektorenübergreifende
Gesamtversorgungsplanung auf den Weg zu bringen und regionale integrierte
Gesundheitszentren in die Krankenhausplanung aufzunehmen und zu fördern.
Krankenhäuser für Menschen, nicht für Profite
Wir GRÜNEN stehen für Krankenhäuser, die an den Bedürfnissen von Patient*innen
ausgerichtet sind. Dabei müssen sie gute Arbeitsbedingungen für alle
Beschäftigten sicher-stellen, die der Verantwortung und Belastung gerecht
werden. Renditeerwartung von Investor*innen, klamme kommunale Haushalte und die
massive Unterfinanzierung der Investitionskosten durch das Land haben in
Verbindung mit der Finanzierung durch Fallpauschalen jedoch zu Fehlentwicklungen
mit katastrophalen Folgen in unseren Kranken-häusern geführt: durch
Personalabbau und Outsourcing patientenferner Dienstleistungen, sowie durch die
Konzentration auf lukrativere Behandlungen versuchen immer mehr Kliniken, auf
dem Rücken von Patient*innen und Beschäftigten ihre Wirtschaftlichkeit zu retten
oder gar Gewinne zu erwirtschaften. Wir begrüßen, dass die durch GRÜNE getragene
Bundesregierung diese Fehlentwicklungen als solche benennt und abgestufte
Vorschläge zur zukünftigen Krankenhausfinanzierung vorlegen möchte. Wir
erwarten, dass die hierfür vorgesehene Regierungskommission ihr Arbeit zeitnah
beginnt und Reformen dann auch zügig umgesetzt werden. Durch die Zuständigkeit
für die Investitionskostenfinanzierung spielt aber auch das Land eine wichtig
Rolle für die Zukunft der stationären Versorgung. Während die SPD-CDU Koalition
in den letzten Jahren beim Verfall der Bausubstanz unserer Kliniken zugeschaut
hat und zunächst groß angekündigte Investitionszuschüsse kurzerhand doch wieder
zurücknahm, ist der Investitionsstau der niedersächsischen Krankenhäuser auf
mittlerweile mehr als 2 Milliarde € angewachsen. Solange dieser Investitionsstau
nicht endlich angegangen wird, werden die Krankenhäuser sich weiter gezwungen
sehen, Gelder, die eigentlich für die Versorgung von Patienten*innen vorgesehen
sind, zweckentfremdet für betriebsnotwendige Investitionen einzusetzen. Diesem
Zustand wollen wir ein Ende bereiten: den Niedersachsenfonds und die
Landesgesellschaften wollen wir auch dafür einsetzenr den Investitionsstau in
unseren Kliniken abzubauen. Mit einer Erhöhung der jährlichen
Investitionsförderung des Landes für Baumaßnahmen und einer regelmäßigen
Anpassung an Baupreissteigerungen beenden wir mittelfristig und nachhaltig die
chronische Unterfinanzierung der Investitionen in unsere Krankenhäuser. Alle
Kinderkliniken in Niedersachsen schreiben rote Zahlen, ihre finanzielle
Absicherung muss daher dringend angegangen werden. Wir werden uns dafür
einsetzen, dass die, durch die von GRÜNEN getragene Bundesregierung in Aussicht
gestellte bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für Kinderheilkunde zeitnah
dort ankommt, wo sie benötigt wird.
Krankenhäuser in die öffentliche Hand
Wir sind der Überzeugung, dass Krankenhäuser als zentraler Bestandteil der
Daseinsvorsorge gemeinwohlorientiert und nicht gewinnorientiert arbeiten
sollten. Den Trend zur Kranken-hausprivatisierung wollen wir umkehren: Dafür
unterstützen wir Kommunen, die Krankenhäuser zurück in die öffentliche Hand
holen möchten.
Green Hospital: Krankenhäuser leisten ihren Beitrag zur Klimaneutralität
Der Gesundheitssektor liegt mit 4,4 Prozent der globalen Treibhausimmissionen
noch über den Emissionen von Flugverkehr und Schifffahrt. Niedersächsische
Krankenhäuser müssen daher zukünftig eine wichtige Rolle bei der CO2-Reduktion
spielen. Green Hospitals sollen den Energiehaushalt, den Wasserverbrauch, aber
auch das Abfallmanagement umweltfreundlich gestalten. Damit das gelingt, treiben
wir die energetische Sanierung von Krankenhäusern voran und statten sie mit
Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie aus. Außerdem sorgen wir dafür, die
Ernährung für Patient*innen und Mitarbeiter*innen gesünder zu gestalten, um
deren Zufriedenheit und Gesundheit zu erhöhen. Das Projekt KLIK– Klimamanager
für Kliniken wollen wir in Niedersachsen aktiv umsetzen.
Im Notfall gut versorgt
Wie gut ein Gesundheitssystem funktioniert, zeigt sich oft erst im Notfall. Egal
ob Herzinfarkt oder plötzliche Rückenschmerzen am Wochenende: Damit alle
Menschen in Niedersachsen bei akuter Krankheit rund um die Uhr die passende
Hilfe bekommen, wollen wir das dreistufige System aus ambulantem
Bereitschaftsdienst, stationärer Notfallversorgung und Rettungsdienst besser
aufeinander abstimmen. An Krankenhäusern wollen wir integrierte Notfallzentren
einrichten, in denen je nach Bedarf sowohl ambulante als auch stationäre
Notfallbehandlungen erfolgen können. Erfolgreiche Modellprojekte wie
Gemeindenotfallsanitäter*innen oder mobile Ersthelfer*innen wollen wir
flächendeckend ausweiten. Dazu gehören auch Fahrdienste, die Menschen
insbesondere im ländlichen Raum zu Bereitschaftsdienstpraxen oder Kliniken
bringen, wenn kein Rettungswagen notwendig ist. Auch telemedizinische Angebote
können die Notfallversorgung sinnvoll ergänzen. Rettungswagen wollen wir
standardmäßig mit telemedizinischer Ausrüstung ausstatten, damit die Behandlung
bereits auf dem Weg in die Klinik beginnen kann. Telenotärzt*innen können das
Versorgungsangebot in einigen Teilen Niedersachsens sinnvoll ergänzen.
Gute Arbeitsbedingungen und Ausbildungsoffensive in der Gesundheitsversorgung
Eine alternde Bevölkerung, zusätzliche Aufgaben und Personalabbau in der
Gesundheits-versorgung führen zu einem drastischen Fachkräftemangel in unserem
Gesundheitssystem. Um einen zukünftigen Kollaps zu vermeiden, müssen wir jetzt
verstärkt bei der Gewinnung von Fachpersonal in die Offensive gehen. Um dem
wachsenden Bedarf an medizinischem Personal zu begegnen, schaffen wir GRÜNEN
mindestens 200 zusätzliche Medizinstudienplätze. Wir setzen uns für die zügige
Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen ein und schaffen
Qualifizierungs- und Weiterbildungsprogramme, um fehlende Kompetenzen und
Sprachkenntnisse aufzubauen. Wir begrüßen das Vorhaben der neuen
Bundesregierung, den Spurwechsel vom Asylsystem in die Arbeitsmigration zu
ermöglichen. Die geplante Landarztquote alleine wird nicht ausreichen, um junge
Ärzt*innen aufs Land zu bekommen; vielmehr wollen wir mit attraktiven
Arbeitszeitmodellen sowie mit Teamarbeit und universitärer Anbindung mehr junge
Ärzt*innen für die Arbeit als Allgemeinmediziner*innen auf dem Land begeistern.
Nicht nur bei Ärzt*innen vergrößert sich die Versorgungslücke, sondern in allen
Berufen des Gesundheitswesens. Nach anglo-amerikanischem Vorbild wollen wir
sogenannte physician assistants in Niedersachsen ausbilden und einsetzen und
damit Ärzt*innen um grundsätzlich delegierbare Aufgaben entlasten. Um den
Fachkräftemangel in den Heil-, Pflege- und Assistenzberufen zu bekämpfen, wollen
wir staatliche Schulen auf- und ausbauen und die bestehende
Ausbildungsinfrastruktur kurzfristig finanziell absichern. Für
Pflegeassistent*innen, Heilerziehungspfleger*innen, medizinische
Bademeister*innen und Diätassistent*innen schaffen wir endlich das Schulgeld ab.
Für die Beschäftigten in unserem Gesundheitssystem wollen wir GRÜNEN flexible
Arbeitszeitmodelle und eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie
ermöglichen – etwa durch die Förderung von Krippen und Kitas direkt an
Krankenhäusern oder Versorgungszentren. Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem
setzt eine ausreichende Personalbemessung sowie die Herstellung von guten
Arbeitsbedingungen durch Tarifbindung voraus. Investitions- und Fördermittel des
Landes müssen deshalb an eine tarifliche Bezahlung gebunden werden (vgl. Gute
Arbeit in Niedersachsen).
Wir wollen Berufsaussteiger*innen durch Anreize wieder zurückgewinnen und durch
Maßnahmen der Gesundheitsförderung, wie etwa Gesundheitssport, Coolout- und
Burnout-Prophylaxen sowie Team-Supervisionen dafür sorgen, dass Fachkräfte
möglichst lange gesund im Beruf bleiben. Für Menschen, die ihren Schulabschluss
im Ausland erworben haben, bauen wir die Zugangshürden zu den Ausbildungen der
Gesundheitsfachberufe ab. Ausländischen Fachkräften ermöglichen wir ein
dauerhaftes Bleiberecht.
Pflegeberufe stärken
Pflegekräfte leisten eine unverzichtbar wertvolle Arbeit für die Gemeinschaft,
die mehr als Applaus verdient. Die Verantwortung, die Pflegekräfte in ihrem
fachlich anspruchsvollen Job tragen, muss sich endlich auch bei Bezahlung und
Arbeitsbedingungen niederschlagen. Die Gewinnung neuen Fachpersonals ist eine
der großen Zukunftsaufgaben, zu der Niedersachsen seinen Beitrag leisten muss.
Dazu wollen wir die Tarifbindung stärken, die Wirkung des neuen Pflegegesetzes
evaluieren, ggf. nachsteuern und Leiharbeit begrenzen. Die durch die
Bundesregierung in Aussicht gestellte Einführung wirksamer
Personalbemessungsinstrumente begrüßen wir. Wir wollen die Zahl der
Ausbildungsplätze in der Pflege deutlich anheben – dazu braucht es aber
ausreichend Einrichtungen, die sich an der Ausbildung beteiligen. Wir sorgen
dafür, dass durch Ausbildungsverbünde auch kleinere Krankenhäuser und
Pflegeeinrichtungen sowie private Pflegeschulen gemeinsam zur Ausbildung von
Pflegepersonal beitragen. Dabei wollen wir sicherstellen, dass die betriebliche
Mitbestimmung aller Auszubildenden an ihren Einsatzorten gesichert ist. Wir
treiben die Akademisierung, Professionalisierung und Handlungsautonomie in den
Pflegeberufen voran und eröffnen Pflegekräften damit attraktive Weiterbildungs-
und Aufstiegschancen. Mit Pflegeakademien, wie es sie schon heute an der
Medizinischen Hochschule Hannover gibt, wollen wir gezielte Weiterbildung im
Pflegeberuf ermöglichen – etwa zur Pflegedienstleiter*in oder Praxisanleiter*in
mit staatlichem Abschluss. In einem Modellprojekt im Studiengang
Pflegewissenschaft werden wir qualifiziertes Personal nach international
verbreitetem Vorbild als Community Health Nurses ausbilden und in der
Primärversorgung einsetzen. Damit das gelingen kann, wollen wir uns auf
Bundesebene für eine Reform der Heilberufeverordnung einsetzen und Community
Health Nurses dadurch mehr Handlungsautonomie ermöglichen.
Krankenversicherung
Das Nebeneinander von privaten und gesetzlichen Krankenkassen sorgt nicht nur
für eine Ungleichbehandlung von Patient*innen etwa bei der Terminvergabe bei
Fachärzt*innen – dem Staat entgehen auch noch viele Millionen Euro, weil
ausgerechnet einkommensstarke Menschen einen besonders geringen Anteil ihres
Einkommens an die Versicherung zahlen. Wir setzen uns deshalb auf Bundesebene
für die Einführung ein Bürger*innenversicherung ein, in die alle
Arbeitnehmer*innen einen fairen Beitrag einzahlen. Schon jetzt wollen wir
niedersächsischen Beamt*innen echte Wahlfreiheit bei der Krankenversicherung
ermöglichen, indem wir ihnen, wie bereits in vielen Bundesländern praktiziert,
einen Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung anbieten und sie nicht
länger sowohl Arbeiternehmer*innen und Arbeitgeber*innenbeitrag selbst tragen
müssen. Eine Mitgliedschaft in der privaten Krankenversicherung kann
insbesondere für Beamt*innen in unteren Besoldungsgruppen, mit chronischen
Krankheiten oder vielen Kindern sehr teuer sein.
Selbstbestimmte Geburt
Für Schwangere in Niedersachsen wird es immer schwieriger, eine Hebamme für die
Begleitung der Schwangerschaft und Nachsorge nach der Geburt zu finden. Das Netz
der Geburtsstationen in Niedersachsen dünnt sich immer weiter aus: In vier
Landkreisen gibt es überhaupt keine klinische Geburtshilfe mehr – und die große
Koalition schaut dabei zu. Die schlechte Personalausstattung auf
Geburtsstationen führt vielerorts dazu, dass Hebammen bis zu fünf Frauen
gleichzeitig betreuen. Währenddessen mehren sich Berichte von Frauen, die die
Geburt als traumatisch erlebt haben. Ziel von BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN ist eine
selbstbestimmte Geburt durch eine bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung
vor, während und nach der Geburt, eine Stärkung der Wahlfreiheit von
Schwangeren, eine bessere Personalausstattung in der Geburtshilfe und eine
verbesserte Versorgung unter der Geburt. Dafür wollen wir mehr Hebammen
akademisch ausbilden, die Richtlinie 1:1-Betreuung unter der Geburt umsetzen,
durch Hebammen geleitete Kreißsäle sowie Beleghebammen stärken und Geburtshäuser
durch Investitionskostenzuschüsse fördern. Wir verankern die Geburtshilfe als
Teil der Grundversorgung und sorgen so dafür, dass keine Frau in Niedersachsen
mehr als 30 Minuten zum nächsten Geburtshilfeangebot fahren muss. Um
finanziellen Fehlanreizen, die zu unnötig vielen Kaiserschnitten geführt haben,
entgegenzuwirken, wollen wir Spontanentbindungen finanziell besserstellen. Es
darf nicht sein, dass immer mehr Geburtsstationen aus ökonomischen Erwägungen
geschlossen werden. Wir begrüßen daher, dass die Ampelkoalition im Bund
kurzfristig für eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung der Geburtshilfe
sorgen will.
My body, my choice
Die Entscheidung, ob eine Frau eine Schwangerschaft abbricht oder nicht, ist
allein ihre. In dieser Zeit sind gute Beratungs- und Versorgungsstrukturen
notwendig. Wir wollen, dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen Teil der
Regelversorgung wird und flächendeckend gewährleistet ist. Deshalb sorgen wir
für eine ausreichende und wohnortnahe Versorgung mit Ärzt*innen, Praxen und
Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Ob Krankenhäuser mit einer
gynäkologischen Abteilung Abbrüche durchführen oder nicht, darf nicht vom Träger
oder von der individuellen Haltung der Chefärzt*in abhängig sein, sondern muss
durch die landesweite Krankenhausplanung grundsätzlich sichergestellt werden.
Wir stärken das Thema Schwangerschaftsabbrüche in der Lehre an unseren
Universitäten nach international anerkannten Standards und bauen
Weiterbildungsangebote für Ärzt*innen aus. Neben der professionellen
medizinischen Versorgung ist gute Beratung wichtig. Deshalb wollen wir das
Angebot an Familienplanungs- und Beratungsstellen finanziell absichern und die
freiwilligen Beratungsangebote ausbauen. Wir wollen in Ausbildung und Studium
von Ärzt*innen und Hebammen für das Thema Gewalt unter der Geburt
sensibilisieren und Qualifizierungsangebote für Beratungsstellen schaffen,
sodass betroffene Frauen wohnortnah Beratungsangebote in Anspruch nehmen können.
Wir begrüßen die geplante Streichung des §219a StGB, der Informationen über
Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, und setzen uns dafür ein, dass die
Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen endlich beendet wird.
Psychische Gesundheit verbessern
Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder in einer psychischen Krise
brauchen schnelle Hilfe, damit sich ihr Leid nicht verschlimmert. Schon seit
mehreren Jahren existieren Empfehlungen, wie Betroffene besser unterstützt und
ihre Menschenrechte gewahrt werden können. Wir setzen die Empfehlungen des
Landespsychiatrieplans endlich um. Dazu gehört, die ambulante psychosoziale und
psychiatrische Krisenhilfe auszubauen, Wartezeiten zur ambulanten Behandlung zu
verkürzen und Zwangseinweisungen in psychiatrische Kliniken zu reduzieren.
Wartezeiten für stationäre Behandlungen auch jenseits von Notfällen wollen wir
durch eine Erhöhung der bislang noch unterdurchschnittlichen Bettenzahl in
psychiatrischen Kliniken reduzieren. Wir wollen mehr Fachpersonal ausbilden und
psychiatrische Forschung und Lehre an unseren Universitäten stärken.
Insbesondere in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wollen wir Prävention,
Früherkennung und Frühintervention strukturell verbessern und Behandlungsplätze
ausbauen. Außerdem haben wir vor, ein größeres Augenmerk auf die Versorgung
psychisch kranker Menschen mit Fluchterfahrung zu legen. Selbsthilfeangebote
psychisch kranker Menschen fördern wir strukturell. Menschen mit
Psychiatrieerfahrung und/oder Behinderung beziehen wir in die Prozesse zur
Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen ein. Mit einer
landesweiten Kampagne rücken wir das Thema psychische Gesundheit stärker in die
Öffentlichkeit. Wir bauen durch Stigmata entstandene Hürden zur Inanspruchnahme
von Hilfeleistungen ab.
Gesundheitsversorgung für alle
Für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz bestehen in Niedersachsen hohe
Hürden beim Zugang zu einer adäquaten Gesundheitsversorgung. Die fehlende
medizinische Versorgung führt viel zu oft zu vermeidbaren und zum Teil
lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen bei Betroffenen. Besonders hart trifft
diese Situation Menschen ohne legalen Aufenthaltsstaus, die fürchten müssen,
durch Inanspruchnahme medizinischer Leistungen abgeschoben zu werden. Diese
Hemmnisse führen zudem zu erheblichen Erlösausfällen in Praxen und
Krankenhäusern, da die fehlende Behandlung von Erkrankungen in einem frühen
Stadium häufig zu akuten Notfallversorgungen führen, für die keine Kostenträger
gefunden werden können. Unter GRÜNER Regierungsbeteiligung wurde erfolgreich ein
Modellprojekt durchgeführt, das für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstaus
mittels eines anonymen Krankenscheins die Kostenübernahme ärztlicher
Behandlungen sicherte. Statt dieses Projekt fortzuführen oder gar auszuweiten,
wurde es durch SPD und CDU beendet. Wir sorgen dafür, dass die
Gesundheitsversorgung aller Menschen, unabhängig von ihrem Versicherungs- oder
Aufenthaltsstatus, endlich flächendeckend gewährleistet wird. Dazu stellen wir,
aufbauend auf den Erfahrungen des Modellprojektes und unabhängig vom
Aufenthaltsstaus, einen anonymen Krankenschein flächendeckend für alle Menschen
ohne Krankenversicherung zur Verfügung. Niederschwellige Angebote wie
Straßenambulanzen und medizinische Beratung für Migrant*innen wollen wir
finanziell absichern und für personelle Kontinuität in den Einrichtungen sorgen.
Darüber hinaus ermöglichen wir Menschen dort, wo möglich, mit Beratungs- und
Unterstützungsangeboten einen Weg in die aufenthaltsrechtliche Legalität und die
gesundheitliche Regelversorgung. Auf Bundesebene setzen wir uns dafür ein, dass
Sozialämter die Daten von Betroffenen für die Kostenübernahme von dringend
notwendigen medizinischen Behandlungen nicht mehr wie bisher an die
Ausländerbehörde weiterleiten müssen.
Für eine vernünftige und menschenwürdige Drogen- und Suchtpolitik
Die Kriminalisierung von illegalen Drogen hat ihre ursprünglichen Ziele nicht
erreicht. Bei Konsumdelikten erschweren die straf- und verkehrsrechtlichen
Konsequenzen oft zusätzlich die berufliche und soziale Wiedereingliederung.
Statt Repression und Verdrängung suchtkranker Menschen, die deren Situation nur
weiter verschlimmert, setzen wir auf Prävention, Beratung und Unterstützung. Wir
begrüßen die durch die neue Bundesregierung geplante legale und kontrollierte
Abgabe von Cannabis. Das Netz der Sucht- und Drogenberatung im Land wollen wir
finanziell absichern und ausbauen. Auch Schwerstabhängige haben einen Anspruch
auf eine bedarfsgerechte Versorgung. Dafür ist es notwendig, Diamorphin ebenso
wie Methadon und andere zugelassene Substitutionsmittel als Mittel zur wirksamen
Behandlung und als Medikamente anzuerkennen und ihren Einsatz, in Verbindung mit
sozialer Unterstützung, flächendeckend zu ermöglichen. Hierfür ist von höchster
Bedeutung, dass mehr Hausarztpraxen Substitutionsbehandlungen anbieten; dies
wollen wir unterstützen. Wir setzen uns darüber hinaus für mehr
Drogenkonsumräume ein, die für einen risikominimierenden Konsum von
Betäubungsmitteln durch Abhängige ausgestattet sind. Sterile Hilfsmittel,
Substitutionsbehandlung sowie Drogen- und Suchtberatung gehören auch in den
Strafvollzug. Wir wollen Modellversuche für Drugchecking-Angeboten ins Leben
rufen, bei denen Konsument*innen, verbunden mit Präventionsangeboten, die
Möglichkeit gegeben wird, gefährliche und verunreinigte Substanzen vor dem
Konsum zu erkennen. Für uns hat der aktive Nichtraucher*innenschutz und der
Schutz vor einem verharmlosenden Umgang mit Alkohol hohe Priorität. Wir wollen
die Aufklärungs- und Präventionsangebote absichern und in der Fläche ausweiten.
Für gute Pflege
Durch die gestiegene Lebenserwartung und den medizinischen Fortschritt
verdoppelt sich die Zahl der pflegebedürftigen Menschen bis zum Jahr 2050 etwa –
während die Zahl der Menschen, die sich für einen Pflegeberuf entscheiden,
stagniert. Um dem drohenden Pflegenotstand entgegenzuwirken, setzen wir auf die
Prävention von Pflegebedürftigkeit, auf verbesserte Arbeitsbedingungen,
Qualifizierungen und eine starke Interessenvertretung der Pflegeberufe.
Fast drei Viertel der Betroffenen werden durch Angehörige versorgt und gepflegt,
die dabei oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen. Hochwertige ambulante
und teilstationäre Angebote in Wohnortnähe wollen wir stärken und ausbauen. Dazu
zählt besonders der Ausbau von Kurzzeit-, Tages- oder Nachtpflegeplätzen in
Niedersachsen. Quartierspfleger*innen, die über bestehende Bedarfe und die
geleisteten Hilfen informiert sind, könnten pflegende Angehörige erheblich
entlasten und Überforderungssituationen rechtzeitig erkennen.
Behandlungskapazitäten in geriatrischen Zentren bauen wir aus.
Änderungsanträge
- Globalalternative: Ä14 (KV Wesermarsch (beschlossen am: 22.05.2022), Eingereicht)
- Globalalternative: Ä16 (KV Wesermarsch (beschlossen am: 22.05.2022), Eingereicht)
- Globalalternative: Ä17 (KV Wesermarsch (beschlossen am: 22.05.2022), Eingereicht)
- Ä1 (Kreisverband Lüchow Dannenberg (beschlossen am: 05.05.2022), Eingereicht)
- Ä2 (LAG Weltanschauung und Staat (beschlossen am: 17.05.2022), Eingereicht)
- Ä3 (KV Osnabrück-Land (beschlossen am: 07.05.2022), Eingereicht)
- Ä4 (KV Osnabrück-Land (beschlossen am: 07.05.2022), Eingereicht)
- Ä5 (KV Osnabrück-Land (beschlossen am: 07.05.2022), Eingereicht)
- Ä6 (KV Grafschaft Bentheim (beschlossen am: 20.05.2022), Eingereicht)
- Ä7 (KV Grafschaft Bentheim (beschlossen am: 20.05.2022), Eingereicht)
- Ä8 (LAG Wirtschaft/Finanzen (beschlossen am: 21.05.2022), Eingereicht)
- Ä9 (Tjark Melchert (beschlossen am: 21.05.2022), Zurückgezogen)
- Ä10 (LAG Wirtschaft/Finanzen (beschlossen am: 21.05.2022), Zurückgezogen)
- Ä11 (LAG Wirtschaft/Finanzen (beschlossen am: 21.05.2022), Eingereicht)
- Ä12 (LAG Frauenpolitik (beschlossen am: 30.04.2022), Eingereicht)
- Ä13 (LAG Frauenpolitik (beschlossen am: 30.04.2022), Eingereicht)
- Ä15 (KV Wesermarsch (beschlossen am: 22.05.2022), Eingereicht)
- Ä18 (LAG Gesundheit & Pflege (beschlossen am: 19.05.2022), Eingereicht)
- Ä19 (LAG Gesundheit & Pflege (beschlossen am: 19.05.2022), Eingereicht)
- Ä20 (LAG Schule (beschlossen am: 20.05.2022), Eingereicht)
- Ä21 (LAG Schule (beschlossen am: 20.05.2022), Eingereicht)
- Ä22 (LAG Schule (beschlossen am: 20.05.2022), Eingereicht)
- Ä23 (LAG Schule (beschlossen am: 20.05.2022), Eingereicht)